Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
Hexe. Das silbergraue Haar, das sie zu einem Nackenknoten zusammengesteckt trug, die Katzen, die überall auf den Möbeln hockten, das schmale Holzhaus mit der abblätternden gelben Farbe und dem überwucherten Garten auf dem Hügel in Paddington. Und die Art, wie sie einen anstarren konnte, als wollte sie einen mit einem Fluch belegen.
Sie brausten mit offenen Fenstern die Logan Road entlang, während Lesley den neuesten ABBA-Hit mitsang, der zu der Zeit dauernd im Radio lief. Sie überquerten den Brisbane River, ließen die Innenstadt hinter sich und fuhren durch Paddington mit seinen typischen, in die Hänge gebauten Queenslander-Häusern und bogen von der Latrobe Terrace ab in eine Straße, die steil hügelabwärts führte. Auf halber Höhe lag Nells Haus.
Lesley fuhr an den Bordstein, brachte den Wagen ruckartig zum Stehen und schaltete den Motor ab. Cassandra spürte, wie die heiße Sonne durch die Windschutzscheibe auf ihre Beine brannte, wie ihre nackten, verschwitzten Schenkel an dem warmen Vinylsitz klebten. Erst als ihre Mutter ausstieg, sprang sie aus dem Wagen und schaute unwillkürlich an dem hohen schmalen Haus hoch.
Ein mit Rissen durchzogener Betonweg führte um das Haus herum. Am Ende einer steilen Treppe gab es eine Haustür, aber vor Jahren schon hatte jemand die Treppe überbaut, sodass sie von der Straße aus nicht zu sehen war, und seitdem wurde sie so gut wie nicht mehr benutzt, sagte Lesley, und fügte hinzu, das sei Nell ganz recht, denn so komme niemand auf die Idee, unerwartet hereinzuschneien in der Annahme, sein Besuch sei willkommen. Die Dachrinne war alt und schief und in der Mitte so durchgerostet, dass ein großes Loch entstanden war, durch das bei heftigem Regen wahrscheinlich Sturzbäche prasselten. Aber heute sah es nicht nach Regen aus, dachte Cassandra, als eine warme Brise das Windspiel klimpern ließ.
»Gott, Brisbane ist ein stinkendes Loch«, bemerkte Lesley, während sie kopfschüttelnd über ihre große Sonnenbrille hinweglugte. »Gott sei Dank bin ich hier rausgekommen.«
Vom Ende des Wegs her ertönte ein Geräusch, und plötzlich stand eine schlanke, karamellfarbene Katze an der Hausecke, die die Besucher feindselig beäugte. Ein Tor quietschte, dann waren Schritte zu hören. Eine große Gestalt mit silbernem Haar tauchte
hinter der Katze auf. Cassandra holte tief Luft. Nell. Es war, als würde sie einer Ausgeburt ihrer Fantasie gegenüberstehen.
Alle drei musterten sie einander, ohne ein Wort zu sagen. Cassandra hatte das seltsame Gefühl, einem Ritual unter Erwachsenen beizuwohnen, das sie nicht durchschaute. Während sie sich fragte, warum sie da herumstanden und wer den nächsten Schritt machen würde, brach Nell das Schweigen. »Ich dachte, wir hätten ausgemacht, dass du in Zukunft anrufst, bevor du herkommst.«
»Wir freuen uns auch, dich zu sehen, Mum.«
»Ich bin gerade dabei, meine Sachen für die Auktion zu sortieren. Alles steht voll mit Kisten und Kartons, und es ist nirgendwo Platz zum Sitzen.«
»Macht überhaupt nichts.« Lesley wedelte mit der Hand in Cassandras Richtung. »Deine Enkelin hat Durst, es ist verdammt heiß hier draußen.«
Cassandra trat von einem Fuß auf den anderen, den Blick auf den Boden geheftet. Irgendetwas war komisch am Verhalten ihrer Mutter, sie strahlte eine Nervosität aus, die Cassandra nicht gewöhnt war und die sie nicht deuten konnte. Sie hörte ihre Großmutter langsam ausatmen.
»Also gut«, sagte Nell. »Dann kommt mal rein.«
Nell hatte mit ihrer Beschreibung des Durcheinanders nicht übertrieben. Auf dem Fußboden türmten sich Berge von zerknülltem Zeitungspapier, auf dem Tisch, der wie eine Insel aus dem Papiermeer ragte, waren zahllose Teller, Tassen und Gläser aufgereiht. Nippes, dachte Cassandra und freute sich insgeheim darüber, dass sie sich an das seltsame Wort erinnerte.
»Ich setze Teewasser auf«, verkündete Lesley und verschwand in der Küche.
Nell und Cassandra blieben allein zurück, und die alte Frau musterte ihre Enkelin auf ihre gewohnt unheimliche Art.
»Du bist groß geworden«, sagte sie schließlich. »Aber du bist immer noch zu dünn.«
Cassandra nickte. Die Kinder in der Schule sagten ihr das auch immer.
»Ich war früher auch so dünn wie du«, sagte Nell. »Weißt du, wie mein Vater mich immer genannt hat?«
Cassandra zuckte die Achseln.
»Spinnebein.« Nell nahm ein paar Tassen vom Haken an einem altmodischen Geschirrschrank. »Trinkst du Tee oder
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