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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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Regalbrett, in einem Streifen Sonnenlicht, lag eine getigerte Katze auf der schmalen Kante vor den Büchern.
Cassandra hatte sie vorher gar nicht gesehen und fragte sich, wie sie hereingekommen war, ohne dass sie es bemerkt hatte. Die Katze, die offenbar spürte, dass sie kritisch betrachtet wurde, stützte sich auf ihre Vorderpfoten und schenkte Cassandra einen majestätischen Blick. Dann sprang sie mit einem eleganten Satz auf den Boden und verschwand unter dem Bett.
    Cassandra hätte gern gewusst, wie es war, sich so mühelos und geschmeidig bewegen zu können, so spurlos zu verschwinden. Sie blinzelte. Ganz so spurlos war das vielleicht doch nicht geschehen. Wo die Katze unter dem Quilt hindurchgeschlüpft war, lugte jetzt etwas hervor. Es war klein und weiß. Und rechteckig.
    Cassandra kniete sich hin, hob den Quilt an und schaute unter das Bett. Es war ein kleiner, alter Koffer. Der Deckel war nicht richtig geschlossen, sodass man ein bisschen von dem Inhalt sehen konnte. Papiere, weißer Stoff, eine blaue Schleife.
    Ganz plötzlich überkam sie der unwiderstehliche Drang zu erfahren, was sich in dem Koffer verbarg. Mit pochendem Herzen zog sie ihn unter dem Bett hervor, klappte ihn auf und betrachtete die Dinge, die sich darin befanden. Eine silberne Haarbürste, alt und bestimmt wertvoll, mit einem kleinen, unterhalb der Borsten eingestanzten Leopardenkopf, dem Zeichen für London. Ein weißes Kleid, klein und wunderschön, ein altmodisches Kleid, wie Cassandra noch nie eins gesehen, geschweige denn getragen hatte - die Mädchen in der Schule würden sie auslachen, wenn sie in so einem Aufzug erschiene. Ein Bündel Papiere, von einem blassblauen Band zusammengehalten. Vorsichtig zog Cassandra die Schleife auf und schob die Enden des Bands auseinander, um die Sachen näher in Augenschein zu nehmen.
    Ein Bild, eine Zeichnung in Schwarz-Weiß. Die schönste Frau, die Cassandra je gesehen hatte, stand unter einem Gartentor. Nein, es war kein Gartentor, sondern der Anfang eines Laubengangs. Ein Labyrinth, schoss es Cassandra durch den Kopf, ein
merkwürdiges Wort, das ihr ganz plötzlich in den Sinn gekommen war.
    Lauter feine schwarze Linien, die sich wie auf magische Weise zu einem Bild zusammenfügten. Was es wohl für ein Gefühl sein mochte, solch eine Zeichnung herzustellen, dachte Cassandra. Das Gesicht kam ihr irgendwie bekannt vor, auch wenn sie sich zunächst nicht erklären konnte, wie das möglich war. Dann wusste sie es mit einem Mal - die Frau sah aus wie eine Figur aus einem Märchenbuch, wie aus einem alten Märchen, in dem ein Bettlermädchen sich in eine Prinzessin verwandelt, als der schöne Prinz unter ihren hässlichen Kleidern ihr reines Herz erkennt.
    Sie legte die Zeichnung neben sich auf den Boden und nahm sich den Rest des Bündels vor. Es bestand aus einer Reihe von Briefen in Umschlägen und einem Notizheft, dessen Seiten jemand mit einer großen, geschwungenen Handschrift gefüllt hatte. Soweit Cassandra das beurteilen konnte, war alles in einer fremden Sprache geschrieben. Ganz hinten in dem Heft steckten mehrere aus Zeitschriften herausgerissene Seiten und ein altes Foto von einem Mann und einer Frau und einem kleinen Mädchen mit langen Zöpfen. Cassandra kannte sie alle nicht.
    Unter dem Heft lag das Märchenbuch. Der Einband war aus grünem Karton mit goldener Schrift: Zauberhafte Märchen für Mädchen und Jungen von Eliza Makepeace. Cassandra flüsterte den Namen der Autorin vor sich hin, spürte die geheimnisvollen Laute an ihren Lippen. Ehrfürchtig schlug sie das Buch auf. Auf der ersten Seite befand sich eine weitere Zeichnung von derselben Frau, auch wenn sie auf diesem Bild anders aussah, weniger lebendig, irgendwie altmodischer. Als Cassandra das erste Märchen aufschlug, stoben lauter Silberfischchen zwischen den Seiten hervor, die mit der Zeit vergilbt und an den Rändern leicht ausgefranst waren. Das Papier fühlte sich staubig an, und als Cassandra am Eselsohr einer Seite rieb, schien es unter ihren Fingern beinahe zu zerfallen.

    Sie konnte nicht widerstehen. Sie legte sich auf die Pritsche, rollte sich ein und begann zu lesen. Das Souterrain war der perfekte Ort zum Lesen, kühl, still und abgeschieden. Cassandra versteckte sich immer zum Lesen, auch wenn sie nicht hätte erklären können, warum. Irgendwie wurde sie den Verdacht nicht los, dass Lesen faul sein bedeutete, dass es bestimmt sündhaft war, sich einer Sache hinzugeben, die sie so sehr genoss.
    Und sie

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