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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Morton
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uns weilt, geht er jetzt an Sie.«

    »Was denn für ein Brief?«
    »Bevor Ihre Großmutter aus Tregenna abgereist ist, hat sie meinen Dad aufgesucht und ihm erzählt, sie würde in die Stadt zurückkehren und ins Cliff Cottage einziehen, und sie hat ihn gebeten, alle Post für sie aufzubewahren. Sie hat sich klipp und klar ausgedrückt, meinte er, und als ein Brief für sie kam, hat er sich an ihre Anweisung gehalten und ihn auf der Post für sie deponiert. Alle paar Monate ist er mit dem Brief zum Cottage raufgegangen, aber es war nie jemand da. Die Brombeeren waren jedes Mal ein Stück höher gewuchert, die Staubschicht wurde immer dicker, und das Haus wirkte völlig verlassen. Schließlich ist er nicht mehr raufgegangen, seine Knie machten ihm zu schaffen, und er dachte sich, Ihre Großmutter würde ihn sicherlich auf der Post aufsuchen, wenn sie zurückkäme. Normalerweise hätte er den Brief an den Absender zurückgeschickt, aber Ihre Großmutter hatte ausdrücklich darauf bestanden, dass er das auf keinen Fall tun sollte, also hat er den Brief weggelegt und bis heute aufbewahrt.
    Er hat mich gebeten, in den Keller zu gehen, wo er seine Sachen gelagert hat, und den Karton mit nicht zugestellten Sendungen aufzumachen. Darin würde ich einen an Nell Andrews, Tregenna Inn, adressierten Brief mit Eingangsdatum November 1975 finden. Und er hatte recht. Der Brief war noch da.«
    Sie langte in ihre Handtasche, zog einen kleinen grauen Briefumschlag hervor und reichte ihn Cassandra. Das Papier war billig, so dünn, dass es fast transparent war. Der Brief war in einer altmodischen, ziemlich krakeligen Handschrift an ein Hotel in London adressiert und von dort ans Tregenna Inn nachgesendet worden. Cassandra betrachtete die Rückseite.
    Dort war in derselben Handschrift der Absender vermerkt: Miss Harriet Swindell, Battersea Bridge Road 37, Battersea, London.
    Cassandra erinnerte sich an einen Eintrag in Nells Notizbuch. Harriet Swindell war die Frau, die Nell in London aufgesucht hatte,
die alte Frau, die im selben Haus geboren und aufgewachsen war wie Eliza. Warum mochte sie Nell einen Brief geschrieben haben?
    Mit zitternden Fingern öffnete Cassandra den Umschlag. Das dünne Papier war ganz rissig. Sie entfaltete den Brief und begann zu lesen.
     
     
     
    3. NOVEMBER 1975
     
    Liebe Mrs Andrews,
    ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich seit Ihrem Besuch, bei dem Sie mich nach der Märchenschreiberin gefragt haben, kaum noch an etwas anderes denken kann. Wenn Sie erst mal so alt sind wie ich, werden Sie feststellen, dass die Vergangenheit zu einer guten Freundin wird. Die Sorte Freundin, die ungebeten hereinschneit und nicht wieder gehen will! Ich erinnere mich nämlich an diese Frau, müssen Sie wissen, ich erinnere mich sogar sehr gut, nur haben Sie mich völlig unvorbereitet angetroffen, als Sie da in der Tür standen, ausgerechnet zur Teezeit. Ich war mir nicht sicher, ob ich mit einer Fremden über die Vergangenheit reden wollte. Meine Tochter Nancy meint aber, ich soll es ruhig machen, weil alles schon so lange her ist, dass es jetzt keine große Rolle mehr spielt. Also habe ich mich entschlossen, Ihnen zu schreiben, schließlich haben Sie mich ja darum gebeten. Denn Eliza Makepeace ist noch mal hergekommen, um meine Ma zu besuchen. Nur einmal, aber ich erinnere mich noch gut daran. Ich war damals sechzehn, es muss also 1913 gewesen sein.
    Ich weiß noch, wie ich von Anfang an ein komisches Gefühl hatte. Sie war ja vielleicht wie eine vornehme Dame gekleidet, aber irgendwas stimmte nicht daran. Mehr noch, irgendwas an ihr sagte mir, dass sie viel eher zu uns in der Battersea Bridge Road 35 passte. Sie war ganz anders als die vornehmen Damen, die man damals auf den Straßen zu Gesicht bekam. Sie stand auf einmal im Laden,
ein bisschen aufgeregt vielleicht, und sie wirkte, als hätte sie es eilig und wollte nicht gesehen werden. Sie benahm sich irgendwie misstrauisch. Sie nickte meiner Ma zu, als würde sie sie kennen, und Ma lächelte tatsächlich, was bei ihr ziemlich selten vorkam. Wer auch immer diese Dame sein mochte, dachte ich damals, meine Ma wusste offenbar, dass sie an ihr was verdienen konnte.
    Sie hatte eine klare, melodische Stimme, und daran habe ich erkannt, dass ich ihr schon mal begegnet war. Die Stimme war mir vertraut. Eine Stimme, der Kinder gern zuhören, die so eindringlich von Elfen und Kobolden erzählt, dass man ihr alles glaubt.
    Sie bedankte sich bei meiner Ma, dass sie bereit war, sie

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