Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
Autos brachten die schlechtesten Eigenschaften der Menschen zum Vorschein.
Whiskers setzte sich aufrecht und machte einen Buckel. Die Katzen, die würde Nell allerdings vermissen. Natürlich würde sie sie mitnehmen, aber die Zollbestimmungen verlangten, dass sie sechs Monate lang in Quarantäne blieben, bevor sie sie zu sich in ihr neues Zuhause holen konnte.
»Na, du neugierige Nase«, sagte Nell und kraulte ihrer Katze den Hals. »Bloß weil da draußen ein Auto Krach macht, brauchst du doch nicht nervös zu werden.«
Whiskers miaute, sprang vom Tisch und sah Nell an.
»Was ist? Glaubst du, da kommt uns jemand besuchen? Ich wüsste nicht, wer, meine Kleine. Wir sind nicht gerade der Mittelpunkt der Welt, falls du das noch nicht gemerkt hast.«
Die Katze schlich geduckt zur Hintertür. Nell legte den Stapel Zeitungen zur Seite. »Also gut, Madame«, sagte sie, »du hast gewonnen. Ich werd mal nachsehen.« Sie kratzte Whiskers den Rücken, dann öffnete sie die Tür und folgte ihr nach draußen auf den schmalen Betonweg. »Du kommst dir jetzt wohl ganz besonders schlau vor, dass du mir deinen Willen aufzwingst …«
An der Ecke blieb Nell stehen. Der Wagen, ein Kombi, parkte tatsächlich vor ihrem Haus. Eine Frau mit einer riesigen, verspiegelten Sonnenbrille und in knappen Shorts kam die Zementstufen hoch. Hinter ihr her trottete ein dürres Kind mit hängenden Schultern.
Einen Moment lang standen sie alle drei stumm da und musterten einander.
Nell fand als Erste ihre Sprache wieder, wenn ihr auch die richtigen Worte fehlten. »Ich dachte, wir hätten ausgemacht, dass du in Zukunft anrufst, bevor du herkommst.«
»Wir freuen uns auch, dich zu sehen, Mum«, sagte Lesley und
verdrehte die Augen, wie sie es schon als Fünfzehnjährige gemacht hatte. Eine Angewohnheit, die Nell damals wie heute auf die Palme brachte.
Nell spürte den alten Groll wieder in sich aufsteigen. Sie war Lesley keine gute Mutter gewesen, das wusste sie, aber es ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Was vorbei war, war vorbei, und aus Lesley war schließlich doch noch etwas geworden. Und zwar in jeder Hinsicht. »Ich bin gerade dabei, Kartons für eine Versteigerung zu packen«, sagte Nell und schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. Das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, ihren Umzug nach England zu erwähnen. »Es steht im Moment alles voll, es gibt kaum Platz zum Sitzen.«
»Macht überhaupt nichts.« Lesley zeigte auf das Mädchen. »Deine Enkelin hat Durst, es ist verdammt heiß hier draußen.«
Nell betrachtete das Mädchen, ihre Enkelin. Lange Gliedmaßen, knubbelige Knie, den Kopf eingezogen, um möglichst nicht wahrgenommen zu werden. Manche Kinder hatten einfach das Pech, mit zu vielen Problemen auf die Welt zu kommen.
Irgendwie kam ihr in diesem Augenblick das Bild von Christian in den Sinn, dem kleinen Jungen, den sie in ihrem Garten in Cornwall entdeckt hatte. Der mutterlose Junge mit den ernsten braunen Augen. Mag Ihre Enkelin auch Gärten?, hatte er gefragt, und sie, Nell, hatte keine Antwort gewusst.
»Also gut«, sagte sie. »Dann kommt mal rein.«
48 Blackhurst Manor Cornwall, 1913
Die Hufe der Pferde trommelten auf die kalte, trockene Erde, sie waren unterwegs in Richtung Westen, nach Blackhurst, aber Eliza hörte sie nicht. Mr Mansells Schwamm hatte seine
Wirkung getan, und Eliza, betäubt vom Chloroform, lag zusammengesunken in der dunklen Kutsche …
Roses Stimme, leise und gebrochen: »Es gibt etwas, das ich brauche, etwas, das nur du für mich tun kannst. Mein Körper versagt mir wie immer seine Dienste, aber deiner, liebste Cousine, ist stark. Ich möchte, dass du ein Kind für mich bekommst, Nathaniels Kind.«
Und Eliza, die so lange gewartet hatte, die es sich so verzweifelt wünschte, gebraucht zu werden, die sich immer nur als eine Hälfte auf der Suche nach der anderen gefühlt hatte, musste nicht lange nachdenken. »Natürlich«, erwiderte sie. »Natürlich helfe ich dir, Rose.«
Eine Woche lang kam er jede Nacht. Tante Adeline berechnete mit Dr. Matthews’ Hilfe die passenden Zeitpunkte, und Nathaniel tat, worum man ihn gebeten hatte. Nahm den Weg durch das Labyrinth um das Cottage herum zu Elizas Tür.
In der ersten Nacht wartete Eliza im Haus, ging unruhig in der Küche auf und ab, fragte sich, ob er kommen würde und ob sie irgendwelche Vorbereitungen hätte treffen müssen. Fragte sich, wie man sich in einer solchen Situation verhielt. Sie hatte Roses Bitte ohne zu zögern
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