Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
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Mit freundlichen Grüßen
Miss Harriet Swindell
47 Brisbane Australien, 1976
Die Fairyland-Lustre-Vase war ihr Lieblingsstück. Nell hatte sie vor Jahrzehnten auf einem Trödelmarkt erstanden. Jeder Antiquitätenhändler weiß, dass alles seinen Preis hat, aber diese Vase war etwas Besonderes. Es war nicht so sehr ihr materieller
Wert, der tatsächlich ziemlich hoch war, es war das, was sie repräsentierte: das erste Mal, dass Nell an einem unwahrscheinlichen Ort einen Glückstreffer gelandet hatte.
Und wie ein Goldgräber, der seinen ersten Goldklumpen für sich behält, auch wenn er noch wertvollere findet, hatte Nell sich nie von der Vase trennen können. Sie bewahrte sie eingewickelt in ein Handtuch auf, sicher verstaut in einer Ecke ganz oben zwischen der Bettwäsche im Wandschrank, und immer wieder holte sie sie hervor und wickelte sie aus, um sie zu betrachten. Ihre Schönheit, das Muster aus dunkelgrünen Ranken, die goldenen Linien, die das Muster durchzogen, die Art-Nouveau-Feen, die sich in dem Blätterwerk verbargen, all das übte eine beruhigende Wirkung auf sie aus.
Dennoch war Nell entschlossen. Sie hatte einen Punkt erreicht, an dem sie ohne die Vase leben konnte. Ohne all ihre wertvollen Dinge. Sie hatte eine Entscheidung getroffen, und damit basta. Sie wickelte die Vase in eine weitere Lage Zeitungspapier ein und legte sie behutsam in die Schachtel zu den anderen wertvollen Stücken. Am Montag würde alles in den Laden wandern und mit Preisschildern versehen werden. Und sollte sie dennoch von Zweifeln geplagt werden, brauchte sie sich nur ihr Ziel ins Gedächtnis zu rufen: Sie musste über ausreichende Mittel verfügen, um in Tregenna neu anfangen zu können.
Sie konnte es kaum erwarten zurückzukehren. Ihr Rätsel wurde immer verworrener. Endlich hatte sie eine Nachricht von diesem Detektiv, Ned Morrish, erhalten. Er hatte ihr einen Bericht über die Ergebnisse seiner Nachforschungen geschickt. Ein neuer Kunde, Ben Soundso, hatte ihr den Brief in den Laden gebracht. Beim Anblick der ausländischen Briefmarken und der gestochen deutlichen Handschrift, die aussah, als wäre sie an einem Lineal entlanggeschrieben worden, hatte sie sofort eine Gänsehaut bekommen. Am liebsten hätte sie den Brief gleich an Ort und Stelle aufgerissen, aber sie hatte sich beherrscht, sich in
einem geeigneten Moment entschuldigt und war mit dem Brief in die kleine Küche hinter dem Laden gegangen.
Der Bericht war knapp gehalten, Nell hatte nur wenige Minuten gebraucht, um ihn zu lesen, und war anschließend verwirrter denn je. Nach Mr Morrishs Erkenntnissen war Eliza Makepeace in den Jahren 1909 und 1910 nirgendwohin gefahren, sondern hatte sich die ganze Zeit über im Cottage aufgehalten. Mr Morrish hatte mehrere Unterlagen beigefügt, um seine Schlussfolgerung zu untermauern - eine Befragung, die er mit jemandem durchgeführt hatte, der behauptete, auf Blackhurst gearbeitet zu haben, verschiedene Briefwechsel mit einem Londoner Verleger, die in Anschrift und Absender die Adresse des Cliff Cottage enthielten - aber diese Unterlagen hatte Nell erst später gelesen. Die Nachricht, dass Eliza nie weggegangen war, hatte sie viel zu sehr verblüfft. Dass sie die ganze Zeit über im Cottage gewesen war. Aber William war sich so sicher gewesen. Sie sei aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden, hatte er gesagt, ungefähr ein Jahr lang. Als sie wieder auftauchte, sei sie verändert gewesen, als wäre das Leuchten aus ihren Augen verschwunden. Nell konnte sich nicht erklären, wie Williams Erinnerungen zu Mr Morrishs Entdeckung passten. Sobald sie wieder in Cornwall war, würde sie noch einmal mit William reden und ihn fragen, ob er sich einen Reim darauf machen konnte.
Nell wischte sich die Stirn mit dem Handrücken ab. Ein fürchterlicher Tag, aber so war Brisbane im Januar. Noch leuchtete der Himmel so blau wie eine Kuppel aus makellosem Glas, aber am Abend würde es garantiert ein Gewitter geben. Sie hatte lange genug gelebt, um zu spüren, wann sich die Wolken zu einem Unwetter zusammenbrauten.
Nell hörte, wie vor dem zur Straße gelegenen Fenster ein Auto seine Fahrt verlangsamte. Es klang nicht wie eins von den Nachbarn: zu laut für Howards Mini, zu hochtourig für den großen Ford der Hogans. Plötzlich gab es einen lauten Rums, als der
Wagen zu schnell auf den Bordstein fuhr. Nell schüttelte den Kopf, froh darüber, keinen Führerschein gemacht und auch nie ein Auto gebraucht zu haben.
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