Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Abfall und dem Treibgut glitt ich in die Dunkelheit. Dort fanden meine Füße Grund inmitten des stinkenden Strandgutes. Und dort beweinte ich den Tod eines Mannes, den ich nie gekannt hatte.
Doch er schien mich gekannt zu haben.
Ich wartete in meinem Versteck ab. Über mir gab es viel Geschrei auf Petraeanisch und Seliu. Pfeifen wurden geblasen, und einmal vernahm ich Kampfgeräusche, woraufhin jemand unter Flüchen in den Hafen geworfen wurde. Schließlich verdross mich die Kombination aus Nässe und Gestank dermaßen, dass ich es riskierte, meine Flucht fortzusetzen. Außerdem hatte etwas an meinen Beinen zu knabbern begonnen.
Ich verstaute das Messer und die Augen unter meinem Gewand und schlüpfte aus meinem Versteck. Dann kletterte ich an der Steinmauer entlang auf die Avenue der Schiffe zu. Dabei musste ich an zwei sehr nah am Kai festgezurrten Schiffen vorbeikrabbeln. Die erste Hülle ragte über mir hoch und schaukelte weniger als zwei Fuß von der Kaimauer entfernt. Eine dunkle Wand aus moosüberzogenen Muscheln berührte fast meine Haut. Ich versuchte, mir nicht vorzustellen, was geschehen würde, wenn eine Woge das Schiff gegen die Mauer drückte.
Auch das zweite Schiff machte mir Angst, aber jetzt war mir die Gefahr bereits vertraut. Ich konnte nicht einfach emporklettern. Zu viele Amtspersonen waren am Kai versammelt, um Licht in das Geschehen zu bringen. Natürlich würde der Rohrdommelhof ein Machtwort sprechen. Aber erst, so wurde mir klar, wenn ich mit meinem Beweis zurückgekehrt war.
Ich stieß auf mehrere rostige Gitter in der Mauer unterhalb der Straßenfront und erkannte, dass schon vor mir jemand diesen Weg genommen hatte, denn zwei waren aufgebogen worden. Ich nahm an, dass die Tunnel dahinter Abflüsse für Regenwasser waren. Ich schlüpfte in den ersten und folgte tief geduckt der Röhre. Hätte ich Furcht vor engen Räumen gehabt, dann wäre ich hier in Panik geraten, aber nach weniger als zweihundert Schritten erreichte ich ein Sammelbecken. Ich wusste durch die Richtung und die Entfernung von Arvanis Pier, dass ich mich jetzt unter dem Platz der Zerbrochenen Schwerter befinden musste. Mit einem tiefen Atemzug orientierte ich mich. Es gab einen Zugang in dem kleinen Park im Norden.
Als ich unter den Mangobäumen stand, wrang ich so viel Wasser wie möglich aus meiner Kleidung. Ich sah schrecklich aus, aber ich versuchte, Haltung zu bewahren. Ich erreichte die Straße und schlich zum Lilientempel zurück. Ein paar Leute starrten. Die meisten jedoch vermieden es geflissentlich.
Als ich am Wagen einer Feuerhändlerin vorbeikam, hielt ich an. Sie war eine ausgemergelte, unscheinbare Frau in mittleren Jahren und sie hatte ganz offensichtlich Angst vor mir.
»Ich möchte eine schwarze und eine weiße Kerze«, sagte ich ihr. »Und Zunder oder Streichhölzer, um sie anzuzünden. Ich … ich habe kein Geld bei mir, aber ich kann dir mein gutes Stahlmesser als Sicherheit hierlassen. Der Tempel der Silbernen Lilie wird es auslösen.«
»N … nein, Mutt … Schwester …« Ihre Furcht nahm zu. Ihre Hände flatterten wie Vögel, als sie mir Kerzen entgegenzuschieben begann. »Nimm, was du brauchst. Für die Göttin.«
Ich öffnete den Mund, um ihr zu danken, aber ein Wirbelwind riss meine Worte fort und hinterließ Gelassenheit und Ruhe in ihren Augen. Ich nickte, nahm die Schachtel Lucifer-Streichhölzer und zwei Kerzen, die mir geeignet erschienen, und begab mich in die nächste stille Gasse.
Drei Buben schikanierten dort einen Betrunkenen, und ein magerer, an einer Dachrinne festgemachter Hund bellte ohne viel Kraft. Der Betrunkene stöhnte nur.
»Verschwindet!«, brüllte ich. Ihr Grinsen gefror, als sie mein Gesicht sahen, und sie trollten sich.
Ich kniete mich in den stinkenden Schleim, der die Steine bedeckte. Mit den Händen säuberte ich einen kleinen Fleck und stellte die beiden Kerzen auf. Dann legte ich das traurige, blutige Bündel mit Currys Augen davor nieder.
Zuerst zündete ich die schwarze Kerze an. »E … er hat das Tötungsrecht missachtet«, sagte ich der Gasse und auch Currys Totengeist, sollte er hier irgendwo weilen und mir zuhören. Vielleicht hörten mich seine Götter, wenn sie sich nicht in weiter Ferne, jenseits des Sturmmeeres, in Schweigen hüllten.
Seine Überraschung wog schwer in meiner Erinnerung. Curry war nicht überrascht gewesen, dass ich ihn zu töten kam, er hatte jemand anderen erwartet. Vielleicht ging es hier um ganz andere Dinge als um
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