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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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Vater. Und Ausdauer.
    Als mich Lao Jai für die Zubereitung des Abendessens zu sich rief, bat ich ihn um Entschuldigung. »Das ist meine Heimat«, sagte ich. »Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit ich sehr klein war. Ich muss die Küste beobachten.« Mein Seliu war mit Srini als Lehrmeister sehr viel besser geworden.
    »Du wolltest heute Kartoffellauchsuppe für den Kapitänstisch machen«, murrte er.
    »Halte dich nur mit dem Salz zurück und lass diese kleinen roten Pfefferschoten weg. Dann wird sie ihnen schon schmecken.«
    Er humpelte kopfschüttelnd davon. Die schwarzen Augen der Drachen auf seinem Holzbein zwinkerten mir zu.
    Ich starrte zur Küste, als ob ich glaubte, durch eine Lichtung zwischen den Bäumen, die nur noch nicht zu sehen war, einen Blick auf Ausdauer erhaschen zu können. Das war schon immer meine Schwäche gewesen; nach etwas Ausschau zu halten, das nicht zu sehen war. Aber zu diesem Zeitpunkt trieben mich noch Unwissenheit und Hoffnung. Irgendwo dort stand das Haus, in dem ich geboren war. Wenn ich nur intensiv genug schaute, würde ich etwas erkennen – und wenn auch nur die Form einer Baumkrone. Ich sehnte mich nach einem Zeichen, dass mich mein Zuhause willkommen heißen würde.
    Unglücklicherweise wurde es dunkel, bevor die Küste mehr als ein dunkler Strich am Horizont war. Die Düfte aus der Kombüse waren gut genug, meinem Ruf nicht zu schaden. Ich blieb im stärker werdenden Wind stehen und fragte mich, wie lange ich für den Marsch von Klein Bhopura bis zum Hof meines Vaters brauchen würde. Ein langer Weg in meiner Erinnerung, nur zwei Meilen nach Federos Worten.
    Ich würde über das Wasser gehen, wenn ich musste, um an Land zu gelangen.
    »Am Morgen wirst du den Wald an der Küste sehen«, stellte Srini hinter mir fest. »So weit im Osten sind es hauptsächlich wilde Palmen und vereinzelte Pinien. Der Boden auf den Anhöhen hinter der Küste ist salzig und felsig. Niemand lebt dort, außer Räuberbanden.«
    Da ich immer praktisch dachte, fragte ich mich, auf wen diese Räuber dann wohl lauern mochten. »Ist Klein Bhopura der erste Hafen, an dem wir vorbeikommen werden?«
    »Ja. Ich habe mit dem Steuermann gesprochen. Er wird einen Kurs nehmen, der uns näher an die Küste bringt, als wir üblicherweise segeln. Wir haben Abstand genug von den Riffen, aber der Wind ist dort unberechenbarer.«
    »Was wird Kapitän Shields dazu sagen?« Ich hatte für den Mann den ganzen Monat, den ich nun an Bord der Südlichen Freiheit verbracht hatte, wenigstens einmal am Tag gekocht, ihn jedoch immer noch nicht kennengelernt.
    »Wenn wir Glück haben, sagt er gar nichts. Wenn er fragt, wird ihm der Steuermann sagen, dass wir die Karten überprüfen. Manchmal stimmt das sogar.«
    »Wer bin ich für den Steuermann?« Noch ein Mann, dessen Namen ich nicht wusste.
    Srini lächelte. »Die Frau, die Stint in Honig zubereitet. Außerdem ist der Steuermann mein Geliebter.«
    »Ah.« Mistress Cherlise hatte das eingehender behandelt, als mir lieb gewesen war: wie zwei Männer einander lieben konnten. Liebe zwischen Frauen meinte ich irgendwie verstehen zu können, doch Männer waren von so unbekümmerter Rohheit, dass ich mir damals nicht vorzustellen vermochte, wie zwei von ihnen einander lieben konnten, ohne dass jemand da war, der die Wucht ihrer Fäuste und Flüche milderte. Diese Meinung war mir im Haus des Faktors anerzogen worden, das weiß ich jetzt, aber diese Art zu denken würde erst in Jahren aus meinem Kopf verschwunden sein.
    »Danke ihm in meinem Namen«, sagte ich gefühlvoll.
    »Keine Angst.« Er seufzte und fuhr dann in Seliu fort: »Ich weiß noch nicht, wie ich dich an Land bringe, ohne dass viele Fragen gestellt werden.«
    »Die Küste wird nicht weit weg sein«, erwiderte ich verträumt bei dem Gedanken, so nah an meiner Heimat zu sein, dass ich fast vermeinte, Ausdauer vor mir zu sehen. »Ich werde wie eine heimkehrende Göttin über das Wasser schreiten.«
    »Ich werde mir etwas ausdenken, das wir nur auf dem dortigen Markt bekommen können«, murmelte Srini. »Und ich werde dich als Einkaufsgehilfin mitnehmen.«
    »Wird der Kapitän nicht verärgert sein, wenn ich dir dann davonlaufe?«
    »Er wird dich als Mannschaftsflüchtling verfluchen, sobald ihm zu Ohren kommt, dass der Gehilfe des neuen Kochs verschwunden ist.«
    »Aber ich habe nie einen Tael von ihm genommen.«
    Srini lächelte in der sternenschimmernden Dunkelheit. »Natürlich nicht. Ich habe dich nie in meine

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