Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
einen Steinküstenakzent, und dein Wortschatz ist oft sonderbar.«
Er musste mir mehrere dieser Worte erklären.
»Ich bedaure selbst sehr, dass ich so gut Petraeanisch spreche«, sagte ich, »und meine Muttersprache so schlecht.«
»Dann lass uns reden.« Srini sprach von den Vorgängen auf dem Schiff, von dem Essen, das wir am Tag oder Abend zuvor zubereitet hatten. Er deutete auf Leute und beschrieb sie mir. Er sprach vom Rad, das eine wichtige Rolle im selistanischen Leben spielte, denn die Menschen glaubten, dass es Geschick und Sinn ihrer Seelen deutete. Seine Worte waren wie Wasser auf einem in der Sonne erhitzten Tontopf. Ich spürte, wie Seliu in mir erwachte. Ich war mir durchaus bewusst, dass Papa wenig von dem gesagt hätte, was Srini mir erzählte, aber es war und blieb dennoch meine Muttersprache. Der Klang lag tief in mir verborgen und wartete nur auf ein Erwachen wie dieses.
Ich wusste aus meiner Zeit auf der Schicksalsvogel , dass wir Wochen für die Überfahrt brauchen würden, vielleicht auch mehr, wenn ungünstige Winde wehten. Federo hatte mir auch gesagt, dass ich nicht bis Kalimpura fahren sollte.
»Srini«, sagte ich eines Tages nach einer Woche unserer lehrreichen Gespräche und elf Tage nach der Abfahrt aus Copper Downs. »Ich brauche deine Hilfe.«
»Wobei, Green?« Sein Lächeln zog den herunterhängenden Schnurrbart empor, den er sich wachsen ließ. »Ich hab dich zum Jungen gemacht und dich übers Meer gebracht. Ich bin ein zu armer Tulpa, um noch mehr für dich tun zu können.«
Ich lachte, mehr, weil er es erwartete, nicht des Scherzes wegen. »Ich möchte nicht nach Kalimpura.«
»Im Ernst?« Er wechselte ins Petraeanische. »Lao Jai hat mich gefragt, ob wir dich als zweiten Koch an Bord behalten können. Nach dem Seestint in Honig und Pflaumen von gestern Abend kann ich sagen, dass der Kapitän leicht zu überzeugen sein wird.«
»Nein, ich möchte in Klein Bhopura an Land gehen.« In Seliu fügte ich hinzu: »Ich muss dorthin.«
»Klein Bhopura?«, fragte er in Petraeanisch. Srini griff sich wieder ans Kinn. »Ich weiß nicht einmal, wo das ist. Kein Hafen, den ich je angelaufen habe. Es ist sicherlich irgendwo in Bhopura?«
»Dreißig Meilen östlich von Kalimpura, hat man mir gesagt.« Ich wollte, dass er verstand, wie wichtig das für mich war. »Ich glaube, auf dem Kurs segeln wir daran vorbei. Es ist ein Fischerhafen, in dem mit Reis und Gemüse gehandelt wird.«
»Ich bin nur der Zahlmeister«, sagte er bedauernd. »Ich bringe Ladung und Passagiere an Bord, aber der Kapitän und der Eigner bestimmen den Kurs des Schiffes. Ich habe keinen Einfluss darauf, welche Häfen wir anlaufen.«
»Dann bitte ich dich um eines.« Ich wechselte wieder in unsere Sprache. »Sag es mir, wenn wir an Klein Bhopura vorbeikommen. Ich werde an Land schwimmen.«
»Schwimmen! In diesen Gewässern? Die großen Teufelsfische sind immer hungrig!«
»Das Risiko werde ich auf mich nehmen, denn das ist der Ort, zu dem ich gehen muss.« Zu meiner Überraschung glaubte ich, was ich sagte.
Nach meiner Bitte segelten wir noch zwei weitere Wochen bei meist günstigen Winden über das offene Meer. Wir überstanden einen großen Sturm und zwei kleinere. Einmal fing die Mannschaft einen Riesentintenfisch, der als böses Omen gefürchtet wurde und trotz Lao Jais Bitten und meiner großen Neugier wieder ins Meer zurückgeworfen wurde.
Jeden Tag nähte ich sorgfältig einen neuen Knoten in meine Seide. Ich hatte keine Glöckchen mitgenommen, als ich den Dachboden in Copper Downs verließ, vermutlich, weil ich nicht erwartet hatte, den Tag zu überleben. Obgleich das nur Tage zurücklag, kam es mir so unwirklich vor, als wären es Erinnerungen aus einem anderen Leben. Als handelte es sich um eine Begebenheit aus einem Buch, das ich einst gelesen hatte und das in meiner Erinnerung zu einem wirklichen Geschehnis geworden war.
Es war kurz nach dem Servieren des Mittagessens, als ich an Deck stand. Lao Jai würde mich gleich wieder zu den Vorbereitungen für das Abendessen rufen. Der Ausguck rief etwas, das ich nicht verstand. Das löste Begeisterungsrufe von der Mannschaft aus. Viele deuteten nach vorne, steuerbordseitig.
Ich ging zur Reling und starrte hinaus. Nach einer Weile erkannte ich, dass der Horizont sich von den wogenden Linien der anderen Richtungen unterschied. Land, dachte ich. Der östlichste Rand dieses Teils von Selistan. Bhopura würde irgendwo hinter dieser Küste sein. Und damit mein
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