Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Schiffsbücher eingetragen.«
Ich umarmte ihn. Er erwiderte die Umarmung. »Dann geh und bleibe noch eine Weile eine Tochter, wenn es die Drehung deines Rades dir erlaubt.«
»Ja.« Ich ging nach unten, um meine wenigen Habseligkeiten zusammenzupacken und mit Lao Jai zu reden.
Zwei Tage später näherte sich das Schiff der Küste. Der Steuermann lag schwer krank unter Deck. Es hatte sich herumgesprochen, dass der Zahlmeister eine bestimmte frische Frucht aus seiner Heimat kannte, die für eine rasche Heilung unerlässlich sei.
Ich beobachtete das schäumende Wasser entlang der Bordwand der Südlichen Freiheit .
Dieser Teil der selistanischen Küste bestand aus hügeligem Land, dessen Bewuchs von Pinien und Buschwerk bis zum Wasser hinabreichte. Der Hafen mit den ersten richtigen Gebäuden, die ich in meinem Leben gesehen hatte, wirkte nun wie eine heruntergekommene Ansammlung von Bretterschuppen. Kein Anlegesteg ragte ins Wasser hinaus, Stämme bildeten Stufen zum Strand herab.
Nichts kam mir vertraut vor, obgleich ich hier einmal gewesen war. In mir vermischen sich zwei Schichten von Erinnerungen wie die Intarsien eines Tisches, welche die wahre Maserung darunter verdecken.
Kinder winkten und riefen und deuteten auf die Südliche Freiheit . Die Segel wurden gerefft, als sie zum Stillstand kam. Ankerketten rasselten, während Männer unter dem Kommando des Bootsmanns ein kleines Boot an der Bordwand hinabließen.
Ich würde an Land gelangen, wie ich einst diesen Ort verlassen hatte – in einem Boot mit bleichen Männern, die bei jedem Schlag des Ruders fluchten. Ich hatte meine Glöckchenseide in einer Segeltuchtasche zusammengerollt und trug die gebrauchte Seemannskleidung, die man mir gegeben hatte. Meine Brust darunter war eng umwickelt, sodass mich die deutlich wachsenden Hügel meiner Brüste nicht verraten würden.
Lao Jai berührte meinen Arm, als ich mich bereit machte, zu dem kleinen, schaukelnden Boot hinabzusteigen. »Einen Augenblick«, sagte er. »Ich werde dich vermissen.« Er fügte noch etwas in Hanchu hinzu.
»Ich werde dich auch vermissen.« Ein Lächeln trat auf meine Lippen, das ich gar nicht erwartet hatte. »Ich gehe heim. Danke für deinen Kochunterricht.«
»Mögen dich die Götter an dein Ziel bringen.« Er runzelte die Stirn. »Wenn das Zuhause nicht so ist, wie du es dir vorstellst, dann gib nicht auf. Suche weiter.«
Ich umarmte ihn und kletterte die Leiter hinab. Wir ruderten durch eine heftige Brandung an Land, wie sie mir von meiner Abfahrt vor so vielen Jahren nicht erinnerlich war. Die Kinder warteten schon auf die Ankunft des Bootes. Schreiend rauften sie sich darum, den Kiel auf den Strand zu ziehen. Srini und ich stolperten an Land, während der Bootsmannsmaat auf die Kinder einredete, die seine Sprache nicht verstanden.
Flüche und Schmähungen flogen hin und her, während ich mit meinem Freund, dem Zahlmeister, die paar Stufen vom Strand hinaufstieg, als würden wir uns auf den Weg zum Markt machen, um nach Srinis Frucht Ausschau zu halten.
Die Stadt war armseliger als in meiner Erinnerung; eine verwahrloste Ansammlung von Gebäuden auf der einen Seite des schlammigen Weges, Hütten und Buden auf der anderen. Ich marschierte in den Markt hinein, als wäre er mir vertraut, und ignorierte die anzüglichen Zurufe der Budenbesitzer. Ich begriff. Haar und Hautfarbe mochten die eines Einheimischen sein, aber nicht meine Kleidung.
Zu Hause werde ich nicht mehr fremd sein, versprach ich mir selbst. Papa und Ausdauer werden mich aufnehmen, und es wird keine Rolle spielen, wie ich aussehe.
Das war natürlich eine Lüge, und ich wusste es schon in diesem Augenblick. Aber ich musste die Wahrheit mit eigenen Augen sehen, bevor ich den Unterschied begreifen konnte.
Während ich durch den armseligen kleinen Basar ging, erinnerte ich mich an diesen Weg. Ich konnte den Hof finden. Die Tanzmistress hatte mich gut darin gedrillt, einen Weg zurückzuverfolgen. Dass zwischen Erinnerung und Wiedererkennung fast zehn Jahre lagen, würde es mir nicht unmöglich machen.
Vorbei an den letzten Gebäuden und einem größeren Pferch meckernder Ziegen folgte ich der Straße, die sich in nordwestlicher Richtung aus dem armseligen kleinen Ort in das trockene Hügelland emporwand, an das ich mich so gut erinnerte. Eine Meile oder zwei, und ich würde zu Hause sein. Daheim in den Armen meines Vaters, wo ich hingehörte. Nur noch ein kurzer Weg, und ich hätte mein Leben endgültig wieder.
Das
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