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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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aufgehen möge und sie durch Asche und Trümmer stöbern könnte.
    Â»Ich habe mir heute die Mühe gemacht, meine Morgengarderobe selbst zurechtzulegen«, verkündete Mrs. Wentworth nach dem Tee. »Heute werde ich den ganzen Tag mit meiner Garderobe so verfahren. Ab morgen jedoch tragen Sie die Verantwortung für meine gesamte Toilette. Haben Sie gehört?«
    Ich stand noch immer staunend vor den Uhrenfasanen. Wie es wohl wäre, eines Morgens mit tickendem Magen wach zu werden?
    Mrs. Wentworth räusperte sich. »Haben Sie gehört?«
    Â»Ja, Ma’am«, erwiderte ich und schaute auf all die Kleider, die sie sorgfältig über einen der Diwane gelegt hatte. Ich hatte beim Tee einigermaßen gut geraten, aber so viel Tüll und Spitze waren schlicht beängstigend. Womit sollte ich beginnen?
    Â»Mein Korsett«, befahl Mrs. Wentworth und zog ihren Morgenmantel aus. Darunter trug sie bereits Hemd und Pantalons. Sie streckte die Arme hoch und wartete, dass ich das Korsett holte und ihr um den Körper legte. Ich drückte von den Seiten gegen das Mieder und mühte mich mit den vorderen Schließen.
    Ich hatte die Satinschleife noch gar nicht zugebunden, da drängten und hoben sich Mrs. Wentworths Brüste schon, doch als ich Anstalten machte, das nächste Kleidungsstück zu holen, rief sie mich tadelnd zurück. »Sie müssen die Bänder straff zurechtzurren«, sagte sie und hielt sich an einem Bettpfosten fest.
    Ich stellte mich hinter sie und zog die Schlaufen eine nach der anderen stramm, von oben nach unten. Es gab ein Knirschen, leise und knöchern. Ich begann zu schwitzen, weil ich nicht wusste, ob dies aus der Brust oder dem Mieder, von Menschen- oder Fischbein kam.
    Â»Nicht so ängstlich, mein Kind«, mahnte Mrs. Wentworth. »Sie können ruhig fester ziehen, noch viel fester. Nicht umsonst habe ich Jahre des Korsetttrainings durchlaufen. Nur strenges Einschnüren hat mir diese Figur beschert und, so darf ich wohl behaupten, meinen Ehemann.«
    Â»Ja, Ma’am«, erwiderte ich.
    Â»Vielleicht können Sie das ein wenig rascher tun?«, nörgelte sie. »Sonst wird es Zeit für das Abendmahl, bevor ich meine Morgengarderobe angelegt habe.«
    Auf dem Diwan warteten noch Berge von Rüschen aus Baumwolle und Seide, und sie alle waren erst das Vorspiel zu dem Kleid.
    Â»Da liegt nichts zur Auswahl«, seufzte Mrs. Wentworth ungeduldig.
    Als ich nach dem Unterrock griff, der meiner Meinung nach als Nächstes an der Reihe war, schüttelte sie den Kopf und gackerte missgefällig.
    Ich wagte einen neuerlichen Versuch und irrte mich wiederum – diesmal bildeten sich rote Flecken in ihrem Gesicht. »Ihre Mutter hat mir versichert, Sie wüssten, wie man eine Dame kleidet.«
    Â»Bitte, Ma’am«, sagte ich und umklammerte den letzten Unterrock. »Ich werde es lernen.«
    Ich hatte sie sicher schon so sehr enttäuscht, dass es dazu nicht mehr kommen und sie mich sogleich entlassen würde. Doch dann wurden ihre Augen weich, und ein sanftes Lächeln erschien.
    Â»Geben Sie mir einen Kuss auf die Wange, und alles ist gut«, sagte sie und beugte sich zu mir.
    Mama hatte mir niemals gestattet, ihr einen Kuss zu geben. Ihrer Meinung nach waren die meisten Menschen mit Küssen viel zu leichtfertig und hatten längst keinen Sinn mehr für die Empfindung, die eine Berührung von Haut und Lippen hervorrufen sollte. Unterzog mich Mrs. Wentworth, so wie Caroline, einer seltsamen Prüfung?
    Â»Na los, Kind, nun machen Sie schon.«
    Meine Lippen streiften ihre weiche Wange, und ich atmete einen berauschenden Blumenduft ein. Das roch nicht wie Mamas Rosenwasser oder Lavendelseife, es war ein mir vollkommen fremdes, würziges, schweres Aroma.

    Es war, von Carolines Brühe abgesehen, der einzige Geruch, den ich in diesem Haus bisher wahrgenommen hatte. Hier roch es gar nicht, weder gut noch schlecht. Vielleicht lebte die Oberschicht ja in einer anderen Luft, vielleicht hatten ihre Häuser Leitungen bis in den Himmel, wo die Brise so rein war, dass man dafür zahlen musste.
    Als ich zurückweichen wollte, nahm Mrs. Wentworth mein Kinn in die Hand. »Was für ein Gesicht«, sagte sie. »So offen und verheißungsvoll.«
    Sie fixierte mich, aber ich konnte den Blick nicht erwidern und schaute auf das Band, das ihr Korsett umsäumte. Das Mieder war überall mit rosa Spitze und

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