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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Rüschen verziert, deren Farbe zu dem Baldachin über dem Bett passte. Je länger ich es ansah, umso heftiger wünschte ich, es wäre meins.
    Ich hatte Mama so oft wegen eines Korsetts bedrängt. »Mir würde auch eines aus Seilen reichen«, hatte ich gebettelt. Aber Mama wusste natürlich mindestens so gut wie ich, dass ein Korsett der sichere Weg war, ein Mädchen vor der Zeit in eine Frau zu verwandeln. Es gibt dem Körper eine begehrenswerte Form, raubt dem Mädchen den Atem und weckt in ihm Träume von wirbelndem Tanz und wildem Galopp – denn es kennt doch keine anderen Möglichkeiten zu fliegen.

    Abb. 1
    Ich hatte nur Mädchenkleider besessen, mit Knöpfen vorn oder im Nacken, die man einfach schließen konnte. Die Kleider waren sämtlich getragen und etwas zu groß, also wurde der Saum erst gekürzt und später wieder ausgelassen. Das Kleid, das ich mir als Einziges mitgenommen hatte, hatte ich zwischen zwei Kisten hinter Mr. Goodwins Laden entdeckt. Zunächst war mir der Rock ins Auge gefallen, seine traurigen Rüschen hatten sich gelöst und ringelten sich durch eine Schlammpfütze. Auch die Ärmel waren rissig, aber davon abgesehen, dass der fleckige Karostoff verblichen war, gab es nichts, was man nicht flicken konnte. Sehr zu Mamas Missfallen hatte ich das Kleid ziemlich gut ausgefüllt, meine Brüste wirkten nicht mehr nur wie zwei Knötchen, und meine Hüften waren beinah so rund, dass sich ein Korb darauf stützen ließ.
    Â»Du ähnelst deiner Mutter«, sagte Mrs. Wentworth, die mich immer noch musterte. »Du hast ihr schönes dunkles Haar und ihre Augen.« Damit ich endlich zu ihr aufsah, fragte sie: »Sag mir, welchem Volk entstammt sie?«
    Ich kannte diese Frage bereits von den mildtätigen Frauen, die regelmäßig die Slums aufsuchten. Sie kamen, modisch gewandet und diskret versnobt, aus Gemeindehallen, als Vertreterinnen von Frauenorganisationen oder im Auftrag von Jane Clattermores Mädchenheim, spähten in unsere Fenster und unser Leben, hielten mit einer Hand vorn den Rock hoch, mit der anderen ein Pfefferminztaschentuch an die empfindliche Nase. »Ihr armen Kindchen«, sagten sie immer, wenn sie uns, aus sicherem Abstand und ohne Hautkontakt, ein paar Pennys in die Hand fallen ließen.
    Ich hasste sie fast ebenso sehr wie die derben x-beinigen Jungs, die mir »dreckige kleine Zigeunerin« zuzischten. Sie riefen mir schon von Weitem zu, ich solle mir meine hässliche Visage wegwaschen und dahin gehen, wo ich herkäme. Ich rannte dann immer traurig und wütend nach Hause, rieb mir das Gesicht mit Salz, bis es brannte, und wünschte mir, dass sich wenigstens einer von ihnen in mich verlieben und der Rest der Truppe tot umfallen würde.
    Â»Halt dich doch von denen fern«, sagte Mama und warf angesichts meiner Tränen die Arme hoch. »Und klau mir nicht immer mein Salz. Aus dir wird niemals eine goldblonde Alice mit Schwanenhals und Sommersprossen. Du hast nun mal Black Dutch in dir.«
    Aus Mamas Mund klangen die Worte wunderbar, Black Dutch – rau und stolz, so wie sie. Juden, Zigeuner und südländische Deutsche, sie alle beanspruchten diesen Begriff. Denn damit konnten sie, unabhängig von ihrem Aussehen, alles sein, hatten verlässliche Wurzeln und passables Blut.
    Â»Sei nicht so schüchtern«, drängte Mrs. Wentworth. »Du kannst es mir ruhig sagen.«
    Mamas Stimme hallte in meinem Innern nach, doch in diesem Moment hatten ihre trotzigen, selbstbewussten Worte wenig mit mir zu tun. Ich hatte weder ihre dunkle Haut noch ihr zähes Herz geerbt. Ich war aus einem anderen, schwächeren Holz geschnitzt. Die unbekannte Herkunft meines Vaters verwässerte Mamas Zigeunerblut.
    Â»Black Dutch«, antwortete ich. »Meine Mutter ist Black Dutch.«

Liebste Mama,
    ich gebe mein Bestes, um Mrs. Wentworth
zufriedenzustellen.
    Ich hoffe, mein Lohn ist ausreichend.
    War dir bewusst, dass ich ihre Zofe würde?
    Es ist besser, als in der Spülküche zu arbeiten,
aber schwerer als gedacht.
    Ich muss vieles lernen.
    Ich vermisse dich.
    Ich vermisse es, meinen Namen zu hören.
    Deine Tochter Moth
    V
    M r. Wentworths imposantes Ebenbild zierte den Wohnraum von Mrs. Wentworth – die Wand gleich hinter dem Schreibtisch, sodass der Hausherr seiner Frau, saß sie dort, auf den Rücken schauen musste. Sein Hemdkragen war hoch, steif und von

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