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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Arm und mein brennendes Fleisch, umschloss mein Handgelenk und drückte den Daumen in eine der Striemen. »Das wird dir eine Lehre sein«, sagte sie, während sie den Griff verstärkte und sich daran weidete, wie ich zusammenfuhr.
    Â»Ja, Ma’am«, sagte ich mit salzigen Tränen auf den Lippen.
    Als sie losließ, blieb ein weißer Abdruck auf dem Arm, der schließlich doch verblasste.
    Â»Ich hätte nun gern ein wenig Gebäck«, sagte sie, streckte die Schultern und führte die Tasse an den Mund.
    Ich wagte nicht, mir die Augen abzuwischen, sondern stand sofort auf. Alles rings um mich verschwamm. Irgendwie gelang es mir, den Teller mit dem gebutterten Gebäck vor Mrs. Wentworth zu stellen.
    Doch anstatt sich ein Stück zu nehmen, faltete sie die Hände im Schoß und sah mich an. »Aus deiner Hand!«, befahl sie mir, sie zu füttern. »Ich möchte keine Butter an den Fingern haben.«
    Â»Ja, Ma’am«, sagte ich, fasste ein Gebäckstück am Rand und führte es ihr zum Mund.
    Zu meinem Entsetzen kostete sie das in aller Genüsslichkeit aus, knabberte an dem Gebäckstück herum und leckte mir zum Schluss noch die Krümel von den Fingern. Danach lächelte sie und sagte: »Ich mag es, wenn ich nicht mehr weiß, wo ich aufhöre und du anfängst.«
    Seitdem benutzte sie den Fächer, wann immer sie etwas zu beklagen fand.
    Da ich sie ankleidete, war ich auch dafür verantwortlich, dass sie ihn ständig, sicher an ihrem Handgelenk, bei sich trug. Sie schlug mich ganz nach Belieben. Wenn ich jammerte oder nur einen Mucks von mir gab, schlug sie mich wieder, doppelt so fest. Je mehr Aufmerksamkeit ich ihr schenkte, umso mehr verlangte sie. Abends musste ich ihre Hand halten, bis sie einschlief, und wenn sie badete, musste ich sie von Kopf bis Fuß waschen. Ihr das Bett aufzuschlagen oder die Löckchen hochzustecken (gleich, wie kunstvoll ich sie arrangierte) genügte nie sehr lange. Sie wollte mehr. Ohne selbst auch nur ein freundliches Wort zu äußern, erwartete sie von mir, dass ich sie mit Zuneigung überschüttete. »Zeigen Sie mir Ihre Ergebenheit, Miss Fenwick«, forderte sie mehrmals am Tag und wies mit dem Fächer auf ihre Wange. Sie war die reinste Sybille darin, Halbherzigkeit zu erspüren, und trotz all meiner Bemühungen waren ihr meine Aufmerksamkeiten nie zärtlich oder ehrlich genug. Und sie hielt sich nie zurück, wenn es darum ging, mir ihre Enttäuschung zu verdeutlichen.
    Die Innenseiten meiner Arme wurden wund; gelbliche, grünliche und bläuliche Blutergüsse bildeten sich. Violette und rote Linien äderten von meinen Malen aus, je nachdem, wie oft sie mich in der Stunde, am Tag oder in der Woche schon geschlagen hatte.
    Mama hatte gelegentlich, wenn sie mich einmal zu heftig gezwickt hatte, einen dunklen blauen Fleck an meinem Ohr oder der fleischigen Stelle an meinem Arm hinterlassen, aber sie hatte mir selbst in ihren schlimmsten Momenten niemals so sehr wehtun wollen. Immer wenn mich Mrs. Wentworth peinigte, dachte ich an Mama. Ich betete, dass sie ins Zimmer käme und der Bosheit von Mrs. Wentworth ein Ende setzte. Ich träumte davon, dass Mama Mrs. Wentworth am Haar packen und nach allen Regeln der Kunst verprügeln – und fluchen, spucken und schreien würde. »Misshandeln Sie mein Mädchen nicht!«
    Aber all das durfte Mama nie erfahren. Ich war an Mrs. Wentworth gekettet. Der Lohn, auf den sie sich geeinigt hatten, war Mamas Lebensunterhalt. Wenn ich fortlief, so fürchtete ich, würde sich Mrs. Wentworth gegen Mama wenden und ihr alles nehmen: Kleider, Schlafplatz, Essen. Dagegen waren meine Blutergüsse ein geringes Opfer.
    Caroline hatte sich noch immer nicht dazu durchgerungen, mit mir zu sprechen. Obwohl Nestor ständig sagte, ich solle mich nicht grämen, wünschte ich mir sehr, es wäre anders. »Den kann dir Chrystie Street reichen«, sagte Caroline, wenn Nestor sie um den Milchkrug bat. Das war zwar auch keine direkte Anrede, aber es kam dem nahe. Und wenn sie glaubte, ich würde im Dunkeln lauschen, wie sie sich selbst in den Schlaf sprach, raunzte sie: »Chrystie Street soll sich um ihren eigenen Mist scheren.«
    Mir fehlte das unter Frauen übliche Geplauder – bei der Hausarbeit, an der Wäscheleine im Hof oder abends auf der Haustreppe. Mit Klatsch und Tratsch waren die Frauen aus der Chrystie Street immer

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