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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Wintergarten … Es läutete erneut. Es kam von der Klingel mit der Bezeichnung Damenschlafzimmer .
    Nestor stand auf und nahm das Tablett. »Drei Klingeltöne gelten der Zofe«, sagte er. »Kommen Sie, Miss Fenwick. Sie sind dran.«
    Als ich aufstand und Nestor nachging, litten meine Zehen schon so sehr, als ob die Stiefel unter dem Tisch sogar geschrumpft wären. Carolines Blick verfolgte mich.
    Â»Viel Glück mit Chrystie Street«, rief sie dem Butler hinterher, den Löffel immer noch umklammert.

Eine Dame der Oberschicht trägt kein Kleid ein zweites Mal. Wer eine Vorstellung davon hat, wie viele Empfänge, Hochzeiten oder Bälle eine Dame im Laufe eines Jahres besucht, wie viele Diners sie gibt, auf wie viele Festlichkeiten sie geht und wie vielen Opern oder Theaterstücken sie beiwohnt, der kann sich einen ungefähren Begriff von den Kosten und dem Umfang ihrer Garderobe machen. Die Annahme, dass sie für jeden einzelnen Tag im Jahr zwei Kleider welcher Art auch immer hat, also siebenhundertundzwanzig an der Zahl, ist wohl nicht verfehlt. All diese zu erwerben, deren Anfertigung in Auftrag zu geben und sie schließlich anzulegen, erfordert sehr viel Zeit. Und in der Tat besteht die Beschäftigung einer Dame von Stand überwiegend darin, Wäschestücke an- und wieder abzulegen.
    George Ellington: Die Frauen von New York,
oder: Das Gesellschaftsleben in der großen Stadt, 1870
    IV
    M amas Tournüre war ein alter, mit Stroh ausgestopfter Mehlsack, den sie in Form zauberte, bevor sie sich auf den Weg zu Mr. Piers machte. Ihre Garderobe war nicht groß, doch das beste Kleid war immer für ihn reserviert. Es war aus Baumwollchintz und hatte eine lange Reihe Knöpfe auf dem Rücken. Ich freute mich immer, wenn sie es hervorholte, weil ich ihr dann beim Anziehen helfen musste.
    Nachdem ich den letzten Knopf geschlossen hatte, nahm Mama ihren zersprungenen Handspiegel und setzte sich mit mir aufs Bett. Sie wies auf ihr Spiegelbild und machte mir vor, wie der Blick eines Lügners zur Seite flieht. »Nimm dich vor Frauen in Acht, die nur schwer zu einem Lächeln finden, sie hegen sicher einen Groll.«
    Ich achtete nie auf das, was mir Mama zu sagen hatte. Ich war so glücklich, dass ich ihr ohne die übliche Angst, mir jeden Moment eine zu fangen, nahe sein konnte, selig, dass ich in ihre dunklen Augen und auf ihren stolzen Mund schauen durfte. Nach einer Weile wurde sie dann immer ganz still und schaute auf ihr Gesicht, als wäre es ihr fremd. »Siehst du den Fleck dort auf der Wange? Den habe ich von Geburt an. So etwas bedeutet, dass einem Großes bestimmt ist.« Dann legte sie den Finger auf die Stelle. »Doch jetzt verblasst er«, flüsterte sie. »Und ich mit ihm.«

    Die täglichen Schönheitsrituale, denen sich Mrs. Wentworth unterzog, hatten, so gut es mir gelingen würde, unsichtbar zu bleiben. »Und dennoch«, erklärte mir Nestor, während wir die Treppe zu ihrem Schlafzimmer emporstiegen, »sieht ein aufmerksamer Beobachter genau, welche Früchte die diskreten Anstrengungen einer Zofe tragen. Sie zeigen sich im Gesicht einer Dame, in dem Selbstvertrauen, das sie zur Schau stellt. Wenn ein Hut niemals verrutscht, so ist das Ihr Verdienst. Wenn ihre Röcke die Schuhe streifen, ohne dass die Lady stolpert, können Sie bei Nacht entspannter ruhen. Ihre Rolle ist im Grunde recht einfach«, fuhr er fort. »Sie müssen die Lady frisieren, ihr vorlesen, den Tee servieren, ihr beim Ankleiden helfen: Geben Sie ihr, was immer sie verlangt und wann immer sie danach verlangt. Sie, meine Liebe, sind das unsichtbare Gegenstück zu ihrem Knopf, unter dem Stoff.«
    Ich blieb mitten im Gang stehen. Solche Ansprüche konnte ich doch nicht erfüllen! Mama musste völlig falsch verstanden haben, was Mrs. Wentworth von einem Mädchen wollte. Sonst hätte sie mich sicher nicht zu ihr geschickt.
    Â»Miss Fenwick?« Nestor drehte sich mit besorgtem Blick zu mir um. »Ist Ihnen nicht wohl?«
    Â»Doch, Sir«, erwiderte ich mit feuchten Handflächen und brennenden Füßen. Ich hatte angenommen, dass ich kochen und putzen, nicht, dass ich mich um die persönlichen Belange von Mrs. Wentworth kümmern müsste.
    Â»Das wird Ihnen schon gelingen«, versicherte mir Nestor. »Viel besser als dem letzten Mädchen, ohne Frage. Das arme Ding, Miss Piggott, war immer in Verlegenheit, selbst

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