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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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konnten, hatte ich Angst, sie wären mir trotzdem gefolgt, nur um mich zu erschrecken. Ich fasste an den Arm und zog Mrs. Wentworths goldene Schlange so weit herunter, dass Mr. Birnbaum sie sehen konnte.
    Nun drängte sich mehr Gesicht durch den Guckschlitz, und seine Augen blitzten hin und her. »Ja, ja, es scheint ganz so zu sein.«
    Ich griff nach dem Türknauf, aber Mr. Birnbaum rührte sich noch immer nicht. Schließlich räusperte er sich und fragte: »Wer hat dich hergeschickt, mein liebes Kind?«
    Â»Ein Freund namens Nestor«, erwiderte ich.
    Â»Und dein Name lautet?«
    Â»Moth Fenwick, Sir«, sagte ich, so gewandt wie möglich.
    Â»Darf ich annehmen, dass du hier bist, weil du Nestor in gewisser Weise behilflich warst?«
    Â»Ja, Sir.«
    Mr. Birnbaum schob den Guckschlitz zu. Dann klackte eine Entriegelung nach der anderen. Als sich die Tür endlich öffnete, führte sie bloß zu einer weiteren. Dahinter aber befand sich ein Podest, von dem aus man nach oben, nach unten oder direkt in das Hinterzimmer des Geschäfts gehen konnte.
    Gaslampen glühten an den Wänden. Für eine Räuberhöhle wirkte alles viel zu hell und freundlich. An den Seiten stapelten sich Kisten und Fässer sehr ordentlich, auf dem Boden lag kein Krümel. In einer Ecke war ein kupferner Spucknapf, sauber bis zum Grund, innen so glänzend wie außen. Darüber hing ein lustiges kleines Schild, auf dem eine Frau einen Mann mit einem Nudelholz verfolgte. Der Mann hatte ein feuerrotes Gesicht, geblähte Wangen, die Augen quollen ihm fast aus dem Kopf. Unter dem Bild stand auch etwas, doch leider in der komischen fetten Schrift, die man an so vielen Schaufenstern von Dutchtown sah. Aus dem Gesichtsausdruck der Frau zu schließen, musste es etwas Schlimmes heißen, damit es sich ein Mann wohl zweimal überlegte, ob er jemals wieder irgendwo hinspucken wollte.
    Mr. Birnbaum hatte dieselben freundlichen Augen und dasselbe warme Lächeln wie Mr. Bartz, der Kaufmann auf der Stanton Street, nur dass Mr. Birnbaum noch alle Haare hatte und Mr. Bartz nicht eines. Bei ihm gab es Brot, Käse, Wurst, Bohnen, Bier, heiße Suppe und zwei Sorten Pickles aus zwei großen Gläsern – eines für die sauren und eines für die süßen. Die Kartoffelsuppe kostete drei Cent pro Tasse, und ganz gelegentlich, wenn Mama einen richtig guten Tag hatte, hatte sie mich zu Mr. Bartz geschickt und eine Tasse für uns beide holen lassen.
    Mr. Bartz schöpfte die dampfende Suppe aus einem schwarzen Topf, ging hinter die Theke und holte einen großen Laib Pumpernickel hervor, dessen Kruste dunkel glänzte. Er schnitt mir stets das Ende ab und gab es mir. Ich schüttelte jedes Mal den Kopf, versuchte abzulehnen, doch er nahm meine Hand, legte das Brot hinein und sagte in seiner tiefen, freundlichen Stimme: »Nun nimm es, liebes Kind. Du bist ja bloß ein Hauch.«
    Mama hatte immer gesagt, dass sich Mr. Bartz eines Tages selbst in den Ruin treiben würde, weil er sich viel zu viele Gedanken über rechtes Verhalten und das Wohlergehen anderer machte. Ich hoffte sehr, dass sie sich irrte. Für mich lag es nur an Mr. Bartz, dass es in unserem Viertel überhaupt noch so gut ging, wie es eben ging. Im Frühling, wenn der schmutzige krustige Schnee schmolz, Pferde und Straßenbahnen die großen Pfützen in alle Richtungen hin verspritzten und ein Schleim aus Geflügelinnereien, nassen Zeitungen und altem Kot Fassaden und Ladenfronten überzog, scheuerte Mr. Bartz sein Haus, bis es so rein wie seine Seele war. Sein Besenstiel war die Wunderwaffe, mit der er den Dreck von seinen Stufen schob, während die übrige Straße an die Ratten fiel. Dann holte er Lappen und Essigwasser und putzte unermüdlich seine Fenster. Er würde sein Haus sauber halten, und wenn es ihn umbrächte. Er würde niemals aufgeben.
    Ich hatte vor, gleich im Anschluss hinzugehen, mir eine Schüssel Suppe zu bestellen und mich zu vergewissern, dass es ihn noch gab.
    Â»Hier entlang«, sagte Mr. Birnbaum und führte mich in das Hinterzimmer. »Ich bringe dich zu Marm.«
    Seine Frau saß an einem großen Tisch und bewegte ihre Feder über die Seiten eines mächtigen Kontobuchs. Dabei streiften die gebauschten Schultern ihres Kleids ihre Perlenohrringe und brachten sie zum Baumeln. Mrs. Birnbaum schaute von ihrer Arbeit auf, blickte mich an und gab mir das

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