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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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du bei mir«, sagte sie. »Ich habe nicht viel Platz, das weiß ich wohl, aber dein Haupt kannst du hier betten. Schlaf dich aus. Morgen ist ein neuer Tag.«
    Mrs. Riordans Heim war im Grunde eine Hütte – eine der vielen behelfsmäßigen Unterkünfte, die sich an die Rückseite der Gebäude hefteten. Für ihre Besitzer bedeuteten sie rasches Geld, denn hier machten meist die Immigranten Station, die gerade erst von einem Schiff gekommen waren. Doch sie verließen diese Bleiben auch möglichst schnell und zogen auf ein Lager bei entfernten Verwandten oder Freunden, die ein Zuhause mit richtigen Wänden und vielleicht sogar einem oder zwei Fenstern hatten. Bei der armen Mrs. Riordan war die Reise in die entgegengesetzte Richtung gegangen. Ihr Status war ihr Stück um Stück entglitten, bis nur noch diese verrottete und traurige Hütte Mrs. Riordan von der Straße trennte.
    Â»Ich nehme die Wandseite, Liebes«, sagte sie und zog den zerschlissenen Quilt vom Bett.
    Ich rollte mich neben sie, befremdet durch so viel Nähe, dankbar, dass ich einen Ort zum Schlafen hatte. Sie roch nach Fisch und Ruß, und bei jedem ihrer Atemzüge lag ein Hauch ranziger Milch in der Luft.
    Ich versuchte, zur Ruhe zu kommen, doch dann erklang in der Wand das nervöse Husch-Husch-Husch von Ratten. Mama hatte immer gesagt, Ratten würden alles fressen, sie würden den Schlafenden sogar Finger und Zehen abnagen.
    Ich hatte einmal eine streunende Katze mit nach Hause genommen, sie sollte die Ratten vertreiben. Sie war schwarz und geschmeidig und hatte Ohren so dünn wie Fledermausflügel. Wegen ihrer Farbe hatte ich sie Rußköpfchen getauft, noch bevor ich sie überhaupt gefangen hatte. Mit einem Namen, so hatte ich geglaubt, wäre sie leichter zu fassen. Mama hatte mich ausgeschimpft und die Katze augenblicklich aus dem Haus geworfen. »Schäm dich, Moth! Du weißt doch, dass wahre Zigeuner niemals Katzen halten.«
    Wenn Mama eine Ratte hörte, polterte sie mit einem Besen, schlug den Stiel gegen Wände, Boden und Decke. Dann schreckte sie die übrige Nacht lang ständig auf. »Pst. Hörst du das? Diese elende Ratte. Oh, Moth, hörst du das?« Ich hatte neben ihr gelegen, aufmerksam gelauscht, nur mit Mühe die Augen offen gehalten und auf genügend Kraft vertraut, das wieselnde, hungrige Vieh, falls es mich tatsächlich fressen wollte, zu erschlagen.
    Nun aber bewegte sich etwas gleich unter mir. Eine Ratte war in der Matratze, kam aus einem Loch am Fußende, schlüpfte an meinem Knöchel vorbei und zerrte an meinem Kleid. Ich wollte meine Gastgeberin nicht aufschrecken, und so blieb ich liegen, fasste nach meinem Rock und versuchte verzweifelt, den Nager abzuschütteln.
    Â»Psch, psch, Kind, keine Angst«, girrte Mrs. Riordan durch die Dunkelheit. »Die beruhigen sich gleich. Du wirst schon sehen. Sie sind ganz lieb, wie Kinder. Je mehr man sich gegen sie wehrt, umso näher kommen sie.«
    Ich gab den Versuch auf zu schlafen und fragte mich, warum Mama wohl gegangen war. Bevor sie mich fortgeschickt hatte, hatte sie sich kaum noch aus dem Haus gewagt, manchmal hatte sie es tagelang nicht mehr verlassen. Sie hatte in ihrem Sessel am Fenster gesessen und von ihrer Jugend erzählt, von der Zeit mit ihrem Vater, einem reisenden Wunderheiler, von den Pferden, die ihre schönen Wagen zogen, von langen Floßfahrten über Flüsse, von Ort zu Ort, bis sie irgendwo anhielten und bei Vollmond ein Lager aufschlugen. Ich hätte mir kein schöneres Leben vorstellen können – nicht einmal, wenn unsere Zimmer und Kleider und die Chrystie Street neu gewesen wären und mein Vater uns nie verlassen hätte. »Lass uns noch heute Nacht zum Fluss gehen, Mama«, hatte ich gebettelt. »Lass uns die Zigeuner suchen und mit ihnen ziehen. Ich mache dir auch keine Umstände, ganz bestimmt nicht.«
    Sie hatte den Kopf geschüttelt und Nein gesagt. Ihr Gesicht war bleich geworden. »Im selben Moment, in dem ich diesen Ort verlasse, kommt dein Vater heim. In dieser Stadt gibt es zu viele Frauen, und jede einzelne wartet nur darauf, den Platz einer anderen einzunehmen. Wenn ich nicht hier bin, wird ihm eine andere öffnen. Ihn willkommen heißen und bekochen. Mich wird er vergessen und sich mit der Neuen einlassen. Du kennst doch Mrs. Peale, zwei Häuser weiter? Nun, das ist nicht die Mrs. Peale, die dort vor einem

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