Der verbotene Garten
Jahr gewohnt hat. Und wo ist sie denn, die erste Mrs. Peale, die, die ich noch kannte?«
Mrs. James, Mrs. Deery, die erste Mrs. Peale â all die Frauen, die zu Mama gekommen waren, hatten immer nur eine Frage gestellt: Liebt mich mein Mann?
Mama hatte niemals Ja oder Nein gesagt, sie hatte der Bittstellerin in die Augen geschaut und gefragt: »Sieht er Ihnen nach, wenn Sie das Haus verlassen? Nicht mit Lust im Blick, sondern mit Sorge? Als würde er fürchten, dass Sie einfach davonlaufen könnten?«
Bei diesen Worten hatten die Frauen entweder vor Erleichterung geseufzt oder waren in Tränen ausgebrochen. Dann hatte Mama ihren Lohn kassiert und die Frau zur Tür geführt.
Ich hatte mich oft gefragt, ob Mamas Liebestest für jeden galt, sogar für Mütter. In der Nacht, als mich Mrs. Wentworth an die Hand genommen und die Treppe hinuntergeführt hatte, hatte ich mich umgedreht und gehofft, Mama würde mir ein letztes Mal zuwinken. Doch sie hatte bloà die Vorhänge geschlossen und das Licht gelöscht. Sie hatte mir nicht nachgesehen, als ich das Haus verlieÃ.
Der Kummer, der jetzt folgte, war entsetzlich höflich. Er kündigte sich mir in aller Form an, auch wenn ich ihn zu ignorieren suchte. Das nimmt kein gutes Ende , raunte mir eine innere Stimme zu. Dann wurden meine Hände feucht, mein Mund verdorrte, und in meinen Ohren summte und brummte, was mir drohte. Nichts Gutes.
25. September 1871 ⢠THE EVENING STAR
EINE GESCHICHTE AUS ZWEI GESCHÃFTEN
I n jenem Teil von Manhattan, der gemeinhin als »Dutchtown« bekannt ist (oder auch als Kleindeutschland , wie die Anwohner selbst sagen), steht ein imposantes Gebäude, eine der Attraktionen dieser Stadt. Fünf Stockwerke runden sich elegant um eine StraÃenecke, auf groÃen Schaufenstern lockt die Aufschrift Modeartikel und Kurzwaren halb New York herbei. Die oberen Geschosse sind den Privatgemächern der Inhaber vorbehalten; hierzu zählen ein prachtvoller Salon, ein Esszimmer mit exquisitester Ausschmückung und ein gewaltiger Ballsall. Darunter befindet sich ein ausgedehnter Küchenbereich.
Das Paar, das bereits vor längerer Zeit aus PreuÃen kam, vertreibt Artikel für die Dame wie den Herrn. Die Hausherrin, selbst nicht minder beeindruckend als ihr Heim, ist unter den GröÃen der Gesellschaft sehr geschätzt. Frau B_., oder »Marm«, wie Freunde und Familie sagen, genieÃt allerorten gröÃte Bewunderung für ihr modisches Gespür und ihren Geschmack in Fragen der Ausstattung. Zu ihren opulenten Diners kommen Richter, Politiker und Gentlemen aus der Wall Street samt ihrer Gattinnen.
Ihr Ehemann, Herr B_., den man nie ohne Nadelstreifenweste und Schildpattbrille sieht, bietet eine gefällige Erscheinung, der Bart gepflegt, das Haar ergraut, es zeigen sich Blinzelfältchen, doch die Stirn ist makellos und glatt. Sein Geschäftssinn und sein kluger, spöttischer Humor sind legendär.
AuÃen, am Haus, wollen die Schaufenster bewundert werden, immer der aktuellen Saison nach dekoriert. Innen empfangen den Kunden zartes Elfenbein und duftige Seide, vom Boden bis zur Decke spannt sich das Regal mit den Sonnenschirmen. Hinter der Ladentheke leuchten Rollen farbigen Zierbands wie ein prächtiger Regenbogen. In zwei groÃen Vitrinen â eine für die Dame, eine für den Herrn â warten unzählige Handschuhe mit ihren flachen Fingern darauf, dass man sie überstreift. Hier kauft der attraktive Dandy sein knalliges Seidentuch, hier führt die Mutter ihren kichernden Backfisch her, um Kragen, Manschetten und Handschuhe aus Spitze zu erstehen. Es ist ein Kommen und Gehen, stets schwingt die Ladentür, unentwegt läutet die Glocke aus Messing.
Das Geheimnis hinter der Fassade
Doch was sich hinter der Fassade des Gebäudes und seiner Bewohner abspielt, würden die meisten rechtschaffenen Bürger dieser Stadt nicht einmal erahnen.
An der Rückseite dieses stolzen Hauses befindet sich eine mickerige Tür, ohne Glas und Glocke. Hinter dieser Tür jedoch werden die wahren Geschäfte abgewickelt. Hier klopfen New Yorks gewiefteste Ladendiebinnen an â Big Sarah Cox, Mother Roach, Nelly Flowers â und schleppen herbei, was sie bei A. T. Stewart und anderen Etablissements entwendet haben. Eine schier endlose Parade von Einbrechern zieht hier hindurch und feilscht über Säcke silbernen Hausrats, der an diesem
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