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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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wär’n wir beide quitt.«
    Ich versuchte zu schreien, doch ich brachte keinen Ton heraus.
    Am anderen Ende der Gasse erklang eine Trillerpfeife.
    Als Mr. Cowan seinen Griff lockerte, rammte ich ihm das Knie zwischen die Beine und lief um mein Leben.

Viele anmutige und elegante Weibsbilder im Alter zwischen vierzehn und fünfundzwanzig Jahren wandeln ohne Begleitung des anderen Geschlechts durch die Straßen dieser Stadt. Es sind Kokotten, oder, wie man gemeinhin sagt, Straßenmädchen. Sie sind durchaus vornehm gekleidet, adrett, hübsch, kultiviert und von verräterischem Gebaren. Alle, die hier fremd sind, tun gut daran, auf diese Sorte Mädchen achtzugeben. Sie ziehen ihre Kreise durch New York, wie der Hai es durch das Meer tut.
    New York City für den Gentleman , 1871
    XII
    N icht die Polizei hatte mich vor Mr. Cowan gerettet, sondern ein Mädchen.
    Ich lief es beinahe über den Haufen, als ich aus der Gasse stürmte, Mr. Cowans Hund laut bellend hinter mir. Durch die plötzliche Erscheinung abgelenkt, übersah ich einen losen Stein und fiel der Länge nach hin.
    Â»Hey!«, rief das Mädchen und stellte sich schützend zwischen mich und den Hund.
    Das Tier blieb wie angewurzelt stehen und fixierte das Mädchen angespannt. Schaum tropfte von den Lefzen.
    Das Mädchen hob seinen Rock und versetzte dem Hund einen Tritt direkt vor den Kopf. Jaulend und mit eingeklemmtem Schwanz rannte der Köter davon.
    Dies war kein alltäglicher Anblick in der Chrystie Street, ein Mädchen in modischem Kleid mit Hut und passendem Überwurf, doch irgendwie war er mir vertraut. Obwohl ich kläglich am Boden lag, konnte ich die Augen nicht von den butterweichen Stiefeln und dem Rock lösen, dessen Saum fünf Reihen Rüschen zierten. Als ich aufschaute, erkannte ich die rostroten Locken, die frech unter der Hutkrempe hervorschauten, und die blassen, sommersprossigen Wangen. Ich sah die Bowery und roch frisches Gebäck, obwohl das Mädchen diesmal keine Schachtel in der Hand hielt.
    Â»Alles in Ordnung?«, fragte es und beugte sich, um mir aufzuhelfen.
    Da sah ich die glänzende Silberpfeife, die an einer Kette um seinen Hals hing. Sie hatte die Form eines Fuchskopfes, dessen gefletschte Zähne in eine Öse bissen.
    Â»Alles bestens«, erwiderte ich, wies die helfende Hand zurück und stand allein auf. Ich hatte Angst, das Mädchen würde auch mir einen Tritt geben, sollte ich die weißen Ziegenlederhandschuhe beflecken, die sich so eng an seine Finger schmiegten. Die Begegnung mit Mr. Cowan saß mir noch immer in den Knochen, und ich schaute mich unruhig nach ihm um.
    Â»Der ist weg«, sagte das Mädchen und lächelte mich wissend an. »Der ist in die andere Richtung davongehumpelt.«
    Die Fremde hatte mich aus meiner Lage gerettet, doch ich verstand nicht, wieso. Und ganz sicher wollte sie nicht mit mir gesehen werden. »Danke schön«, erwiderte ich und wollte meiner Wege gehen.
    Sie kam mir nach. »Warte – ich begleite dich.«
    Sie hieß Mae O’Rourke, war fünfzehn Jahre alt und stammte aus Patterson, New Jersey. Eine Ehevermittlerin hatte sie in die Stadt gelockt. Angeblich hatte sie für Mae den perfekten Gentleman und Gatten gefunden. »Einen Arzt«, sagte Mae, spielte mit der Pfeife und drehte die Kette um ihre Finger. »Ein ehrbarer Mann, der eine Ausreißerin zur Frau will – ich hätte mir doch denken können, dass das eine Lüge war. Der Mann suchte überhaupt keine Ehefrau, nicht einmal eine Mätresse. Sondern nur ein Mädchen, das er schänden und danach auf die Straße werfen konnte.«
    Â»Aber du bist ihm entkommen, oder?« Ich wollte unbedingt erfahren, wie sie von einer betrügerischen, unehrenhaften Ehevermittlerin zu solch edlen Kleidern und solch großen Schachteln mit Backwerk gelangen konnte.
    Â»Klar«, grinste sie. »Unsere Trennung war deinem Abschied von dem Herrn dort in der Gasse ziemlich ähnlich.«
    Ich lachte, in der Hoffnung, sie würde mir mehr erzählen, doch stattdessen wollte sie wissen: »Hast du einen Namen?«
    Â»Moth«, antwortete ich und schämte mich für das fiepsige, gewöhnliche Gezischel, das meine Zunge am Ende machte.
    Â»Wie bist du denn zu so einem Namen gekommen?«
    Â»Den hat mir mein Vater gegeben.«
    Â»Dein Vater?«
    Â»Meine Mutter war strikt dagegen.«
    Mae zog einen Klumpen

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