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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Pfefferminzdrops aus der Tasche, brach ihn entzwei, reichte mir ein Stück und steckte sich dann selbst eins in den Mund. Mit klackerndem Bonbon sagte sie: »Ich kenne einen Laden auf der Bowery, da gibt’s den besten Austerntopf. Graff’s Austernbar – wollen wir hingehen?«
    Tief in meiner Tasche verbarg sich ein Nickel, aber den brauchte ich für meinen Apfel. »Ich kann nicht«, sagte ich und blickte zu Boden. »Ich muss noch woanders hin.«
    Sie nahm meinen Arm. »Ich zahle«, sagte sie. »Das ist das Mindeste, nach allem, was du gerade durchgemacht hast.«
    Mein Kleid war von der ständigen Kletterei auf das Dach, bei der ich oft genug die Stiefel versehentlich auf den Saum gestellt hatte, völlig zerschlissen, und meine Versuche, mich an Hofpumpen zu waschen, hatten dem Dreck, der sich auf meiner Haut und in den Stoffschichten eingenistet hatte, auch nichts anhaben können. Inzwischen war ich so schmutzig, dass ich es aufgegeben hatte, dagegen anzukämpfen. Die wenigen Male, als ich Geld übrig hatte, hatte mich jeder Geschäftsinhaber schon abgewiesen, noch bevor ich durch seine Ladentür getreten war. Graff’s hatte einen Keller, wo sich von Mittag bis Mitternacht das rauere Volk versammelte, aber selbst dort war ich, bei meinem einen Versuch, nicht willkommen gewesen. »Mich lässt man bestimmt nicht rein«, sagte ich zu Mae. »Und mit mir an deiner Seite wirst auch du dann nicht bedient.«
    Â»Unsinn«, sagte sie und lotste mich in Richtung des Lokals. »Wir gehen an den Stand und essen im Biergarten – daran kann niemand Anstoß nehmen. Außerdem kenne ich einen der Austernöffner. Ihm sage ich, dass du zu mir gehörst.«
    Ich konnte Maes Einladung nicht ausschlagen: Der Duft von gerösteten Erdnüssen und gedünsteten Austern zog direkt in meinen Magen.
    Bei Graff’s wimmelte es nur so von Menschen, vorwiegend waren es Männer, die im Garten Bier tranken und Dame spielten. Es gab auch einige Frauen dort, die ihre Kinder und Babys mit zu einem kleinen Ausflug nahmen.
    In dem schlaksigen, gut gekleideten Herrn vor uns in der Schlange erkannte ich einen der Stammgäste. Von meinem Knabber-Platz vor Mueller’s Bäckerei aus sah ich ihn oft kommen und gehen, und er wirkte immer viel vergnügter, wenn sein Magen voll war. Manchmal ließ er einen Penny zu meinen Füßen fallen, aber angeschaut hatte er mich noch nie.
    Â»Das Übliche, Sir?«, fragte der Austernöffner, als der Mann an der Reihe war. Der zog zur Bestätigung eine glänzende zweizinkige Gabel aus der Tasche. »Natürlich.«
    Â»Ein Dutzend Blue Points, kommt sofort!«
    Unter den Blicken seines Kunden stemmte der Austernöffner eine Muschel nach der anderen mit seinem Messer auf. »Du bist der Meisterchirurg unter den Öffnern, mein Freund«, neckte ihn der Gentleman.
    Der Austernöffner ließ die halben Schalen geschickt in einen Korb fallen und gab vergnügt zurück: »Ich hab ja auch im Institut ›Zwei Schalen‹ gelernt …«
    Das runde Lächeln des Austernöffners wurde sogar noch breiter, als er Mae entdeckte. Ich fragte mich, was die Bemerkung, dass sie ihn kenne, wirklich hieß.
    Â»Zwei Schüsseln vom besten Austerntopf gleich nach Dorlan’s«, verkündete Mae.
    Â»Vom besten Austerntopf in ganz New York «, erwiderte der Austernöffner, tauchte seine Kelle in die milchige heiße Brühe und tadelte liebevoll: »Ein hübsches Mädchen wie du hat da unten am Fluss nichts zu suchen. Wenn du dir den Bauch mit Austern vollschlagen willst, dann geh bloß nicht zu Dorlan’s. Komm lieber gleich zu mir.«
    Mae zwinkerte ihm zu und zahlte für die beiden dampfenden Schüsseln.
    Â»Da sind nur Shrewsburys drin, damit du Bescheid weißt«, sagte er, und seine Wangen erglühten rosa, als er mit den Fingern Maes Handschuh streifte.
    Â»Kleine Austern sind und bleiben die zartesten und besten«, erwiderte Mae. Dann gab sie ihm eine Handvoll Pennys für einen Teller Bohnen und einige Cracker.
    Der Austernmann nahm ihr Geld, zwinkerte zurück und zog plötzlich eine entsetzlich finstere Miene. Er hatte mich entdeckt. Für einige wenige, viel zu verführerische Momente hatte ich vergessen, wo mein Platz auf der Bowery war. Doch der Austernöffner hatte mich mit einem Blick wieder dorthin gestoßen, wohin ich seiner Meinung nach

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