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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Sie waren beide nur halb bekleidet, trugen fließende Seidenmorgenröcke, das Haar bereits eingedreht, damit es später am Abend lockig fiel. Sie legten sich Törtchen in eine Serviette und gingen gleich wieder, vermutlich, um sich weiter herzurichten. Eine der beiden, ein gertenschlankes Mädchen mit einem Leberfleck auf der Wange, nickte mir zu, doch weder sie noch ihre Begleiterin sagten ein Wort.
    Â»Emily Sutherland und Missouri Mills«, sagte Alice, nachdem sie fort waren.
    Als Miss Everett nahte, um mich zu holen, flüsterte Mae mir rasch zu: »Sei bloß still, wenn du nach oben gehst – Miss Duval schläft nämlich noch.«
    Mit großem Unbehagen ging ich hinter Miss Everett die Treppe hinauf. Bei jeder Stufe musste ich daran denken, wie ich Nestor mitten in der Nacht ins Dienstbotenquartier von Mrs. Wentworth gefolgt war.
    Miss Everett führte mich in einen Raum, in dessen Mitte drei Betten mit verschnörkelten Gestellen, weichen Quilts und sauberen, frisch aufgeschüttelten Kissen standen. An der Wand sah ich drei Frisiertische, die Spiegel waren von Seiten aus Modejournalen umkränzt, Skizzen von Frauen in eleganter Toilette. In den Ecken stapelten sich Hutschachteln zu fünft oder sechst übereinander, obenauf lagen Haufen farbiger Haarbänder. Gegen die Kammer, die ich mir mit Caroline geteilt hatte, war dies ein warmes, helles Nest aus Mädchenträumen. Ich schloss die Augen. Wie es sich hier wohl schlafen ließe, die Wange auf einem weichen Kissen, die Lider von Träumen flatternd?
    Miss Everett schloss die Tür. »Dr. Sadie wird sich gleich zu uns gesellen«, verkündete sie, »aber noch sind wir unter uns.«
    Ich nickte. Mir drehte sich der Magen um. Graff’s Austerntopf und die Törtchen drohten ihre Wiederkehr an.
    Â»Zieh dein Kleid aus«, sagte Miss Everett mit verschränkten Armen. Dies war unmissverständlich ein Befehl und keine Bitte.
    Ich griff in meine Tasche und klammerte mich an meine Klinge. Was, wenn Mae mich in die Irre geführt hatte und ein Mann schon darauf wartete, gleich über mich herzufallen?
    Â»Dort hast du vermutlich dein Messer«, sagte Miss Everett und sah auf die Stelle unter dem Kleid, wo sich meine Faust ballte. »Behalte es ruhig in der Hand, wenn es dir ein Trost ist, aber bitte zieh jetzt dein Kleid aus.«
    Ich hatte selbstbewusst auftreten wollen, als ob ich verstehen würde, wie mir geschah, doch dafür war es nun zu spät. Ich ließ das Messer los und fummelte an den Kragenknöpfen herum. Schließlich fiel das Kleid, mitsamt meinem Messer, zu Boden.
    Â»Du hast nichts zu befürchten«, sagte Miss Everett, beugte sich und holte die rostige Klinge aus meiner Tasche. Sie drückte mir den Griff in die Hand und sagte: »Wenn ich zu den Menschen gehören würde, die einem Mädchen Übles wollen, dann wärst du längst geschändet und wieder in der Gosse.« Sie ging um mich herum, fasste an mein abgetragenes, dünnes Unterkleid und rieb es zwischen den Fingern. »Wie alt bist du?«
    Â»Fünfzehn.«
    Â»Gut.«
    Dann entdeckte sie das Band an meinem Hals und zog daran. Mrs. Wentworths Fächer drohte unter meinem Leibchen hervorzuschauen.
    Ich legte schützend die Hand auf die Brust.
    Â»Sch«, machte Mrs. Everett. »Ich will ja nur schauen.«
    Ich gab nach und erlaubte ihr, den Fächer herauszuholen.
    Â»Wundervoll«, sagte sie und bewegte ihn hin und her. »Woher hast du das?«
    Â»Von meiner Mutter«, antwortete ich und betete, dass sie mir die Lüge abkaufte.
    Â»Verstehe«, sagte sie und ließ den Fächer sinken. »Lebt sie noch?«
    Ich wollte kein Unheil heraufbeschwören, indem ich, ohne es zu wissen, behauptete, Mama sei tot, und so sagte ich bloß: »Sie hat mich verlassen.«
    Â»Bitte nimm dein Kopftuch ab«, sagte Miss Everett. »Der Doktor muss nach Läusen suchen.«
    Ich schob die Baumwolle beiseite und spürte mein kurzes Haar, das wie eine fettige Kappe um meinen Kopf lag. Es war seit meiner Flucht zwar gewachsen, doch noch weit von einer akzeptablen Länge entfernt, vor allem für eine Hure.

    Miss Everett seufzte enttäuscht. »Du hast es verkauft, nehme ich an?«
    Â»Ja, Ma’am«, sagte ich und schichtete allmählich Lüge auf Lüge, wie Reisigbündel beim Ofenmachen.
    An der Tür klopfte es sanft, dann fragte eine Frauenstimme: »Darf

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