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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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langsam und lief mir süß und sämig in den Rachen.
    Â»Mae ist durch Vermittlung von Rose Duval hergekommen«, fuhr Alice fort. »Miss Duval hat ein eigenes Zimmer und einen ständigen Herrn. Er schenkt ihr, was das Herz begehrt, und zahlt dafür, dass nur er sie aufsuchen darf. Es heißt sogar, er wolle ihr demnächst ein Apartment besorgen, im Fifth Avenue Hotel. Er ist nämlich der Polizeichef.«
    Mae warf Alice einen missbilligenden Blick zu und schüttelte den Kopf. »Den letzten Teil hättest du besser für dich behalten.«
    Â»Was soll das schon anrichten?«, protestierte Alice. »Moth wird doch nun eine von uns.«
    Â»Falls Miss Everett dem zustimmt«, sagte Mae und nahm sich ein weiteres Törtchen.
    Â»Und falls der Doktor sagt, dass alles in Ordnung ist«, fügte Alice hinzu und lächelte zuversichtlich.
    In die Slums der Chrystie Street verirrten sich Ärzte nur selten. Die meisten Bewohner konnten sich ihre Dienste nicht leisten oder hatten zu viel Angst, nach einem Doktor zu rufen. In meiner Kindheit hatte ich immer wieder gehört, was dann für schreckliche Dinge geschahen. Ein Arzt brachte nicht nur Schmerzen und Tränen in ein Heim, er verließ es auch mit einer Rechnung, die direkt vom Krankenlager ins Armenhaus führte.
    Wer Heilung brauchte, wandte sich an Mrs. Popovitch auf der Broome Street. Sie kannte die alten Mittel und half den Frauen, wenn sie ein Kind nicht wollten, oder wenn ein Baby, das sie wollten, feststeckte. Sie zog schlechte Zähne und wusste, wie man eine Krankheit wegschröpfte. Sie war eine stille Frau mit großen, starken Händen und Haar, das vor der Zeit weiß geworden war. Ich ging gern an ihrem Haus vorbei, besonders an Sonnentagen. Dann funkelten die Schröpfgläser, die auf einem langen Spitzenläufer umgedreht in ihrem Fenster lagen, und warteten darauf, dass Mrs. Popovitch sie mit einer Flamme erhitzte und auf einen Rücken drückte. Angeblich saugten sie die Krankheit regelrecht aus dem Leib heraus.
    Mama jedoch traute weder Ärzten noch Mrs. Popovitch. In ihren Augen war jemand, dem man mit einem Stärkungsmittel und einem Tag Bettruhe nicht mehr helfen konnte, ohnehin nicht lebenstauglich.
    Als Alice den Arzt erwähnt hatte, war meine Tasse verrutscht und heißer Tee über den Rand geschwappt. »Keine Sorge«, sagte Mae und schüttelte den Kopf. »Der Doktor ist eine Sie . Sie sieht nach uns allen.«
    Mit grummelndem Magen fragte ich mich, ob ein weiblicher Doktor besser als ein männlicher war und ich es wagen könnte, mir noch ein Petit Four zu nehmen. Das Essen mit Mae schien eine Ewigkeit her zu sein, ich hatte nach jedem einzelnen Törtchen Verlangen.
    Mae nahm sich mithilfe einer silbernen Zange zwei Stück Zucker, ließ sie nacheinander in ihre Tasse fallen und lächelte mir verwegen zu, als sie ein weiteres Mal zur Dose griff. »Zwei Stücke reichen wirklich, aber ich gönne mir immer gerne ein drittes … Nur, weil es mich glücklich macht«, sagte sie. Der dritte Würfel plumpste in ihre Tasse, Tee spritzte auf, aber nicht ein Tropfen ging über den Rand. Mae legte mir die Zange hin. »Und was macht dich glücklich, Moth?«
    Ich griff weder nach der Zange, noch nahm ich mir Zucker. Ich trank rasch meinen Tee und genoss es, wie er mir heiß die Kehle hinunterlief und meinen Bauch von innen wärmte.
    Mrs. Wentworths goldener Schmuck an meinem Arm. Eine Handvoll Münzen in der Tasche. Zuckersüßes Backwerk auf der Zunge.
    Â»Ãœberfluss«, entgegnete ich, nahm ein weiteres Törtchen vom Tablett und stopfte es mir in den Mund.

With clasping arms and cautioning lips,
    With tingling cheeks and finger tips.
    Â»Lie close«, Laura said,
    Pricking up her golden head:
    We must not look at goblin men,
    We must not buy their fruits:
    Who knows upon what soil they fed
    Their hungry thirsty roots?
    Mit offenen Armen, die Lippen ein Bangen,
    ein Kribbeln in Fingern und Wangen.
    Â»Leg dich zu mir, ganz dicht«,
    hebt Laura ihr goldenes Haupt und spricht:
    Wir dürfen den Blick auf den Kobold nicht wagen,
    Wir dürfen nicht ersteh’n seine Frucht:
    Wer weiß, in welchen Boden sie schlagen
    Ihr Wurzelwerk, das gierig ist und sucht?
    Aus: Christina Rossetti:
The Goblin Market , 1862
    XIV
    W ährend ich mit Alice und Mae im Salon wartete, kamen zwei der anderen jungen Damen, die im Haus lebten, herein.

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