Der verbotene Garten
Körper, aber es durfte sich in der flachen Wanne nie bis über die Knöchel stauen. »Bäder gebären Krankheiten«, hatte sie kopfschüttelnd gesagt.
Die Kupferwanne war so groÃ, dass ich die Beine fast ausstrecken konnte. Ich sank in das warme, dampfende Bad und schrubbte mir die zähe Bitternis der Stadt von meinem Leib, dann glitt ich tief ins Wasser und legte den Kopf auf den sanft geschwungenen Wannenrand. Ich hätte die halbe Nacht in diesem Gefühl von Geborgenheit, Linderung und Hoffnung baden können. Mochte Mama ruhig ihrem Aberglauben anhängen.
»Wenn du fertig bist, kannst du das hier anziehen«, sagte Rose, und dann erschien ein Morgenmantel über dem Paravent. »Aber keine Eile. Mr. Polizeichef muss heute Abend in der Stadt für Ruhe und Ordnung sorgen, ich habe das Zimmer für mich.«
Der Musselin legte sich klebrig an meine Haut, als ich hinter dem Paravent hervorkam, um mich am Feuer zu wärmen. Beim Anblick meines Spiegelbilds schreckte ich zusammen. Das Bad hatte mein Haar in einen widerspenstigen Lockenschopf verwandelt. Es würde Monate dauern, bis mir das Haar wieder über die Schultern fallen würde und ich es zu einem Zopf flechten könnte.
»Setz dich zu mir«, sagte Rose und wies auf den Stuhl an ihrer Frisierkommode. »Und dann wollen wir mal sehen, was ich tun kann.«
Rose nahm eine Flasche Zirkassisches Haaröl und goss sich eine groÃzügige Menge in die Hand. Auf dem Etikett war ein bildschönes Mädchen zu sehen, das in einen Vogelkäfig schaute. Sein langes welliges Haar, genährt und gezähmt durch die Zauberlotion, ergoss sich bis zu seinen FüÃen. Nachdem Rose das süÃlich riechende Ãl in den Händen verrieben hatte, strich sie es über mein Haar und besänftigte meine Wellen.
»Ich schwöre auf das Zeug«, sagte sie. »Ich benutze es morgens und abends.«
Dann öffnete sie eine Porzellandose, die neben Bürste und Kamm stand, und holte ein pelzartiges Haarteil heraus. »Ich hatte als Kind Läuse, und meine Mutter hat mir das Haar mehrfach scheren müssen. Seitdem hebe ich jede einzelne Strähne auf, aus Angst, es noch einmal zu verlieren.«
Mit Kämmen, Geduld und dem Haarteil gelang es Rose, meine kurzen Locken zu voller Länge zu beschwören. Ich musterte mich von allen Seiten, doch immer wirkte es, als hätte ich mir das Haar zu einem kleinen entzückenden Chignon gesteckt.
»Ich werde auf das Haarteil gut achtgeben, das verspreche ich«, sagte ich und fühlte vorsichtig, wie fest das Kunstwerk saÃ.
»Keine Sorge, ich habe noch andere«, sagte Rose mit einem Lächeln.
Ich war zwar überzeugt, dass Mamas Geschichten über die arme Mrs. Deery und ihren Irrsinn mehr Theater als Tatsache waren, doch ich nahm mir trotzdem vor, nichts Böses zu denken, solange ich Roseâ Haar auf meinem Kopf trug. Das war das Mindeste, was ich tun konnte.
»Hast du einen Vornamen, Miss Beautiful?«, neckte sie mich, während ich mich und ihre Handfertigkeit im Spiegel bestaunte.
»Moth.«
»Moth?« Sie schüttelte den Kopf. »Den Namen wird dir Miss Everett niemals lassen. Besser, du änderst ihn selbst, ehe sie es tut.«
Ich hielt ihre Bemerkung für einen Scherz und schwieg.
»Ich war eine Ruth , bevor ich in Rose umgetauft wurde«, verriet sie mir. »Miss Everett fand, Ruth sei zu biblisch. Ich kann mir schon vorstellen, was sie zu einem Mädchen sagen wird, das nach einem Nachtfalter benannt ist. Sie wird dich mit einem Wimpernschlag in eine Blume oder einen Staat verwandeln. Wenn du also nicht Iris oder Georgia heiÃen willst, solltest du dir etwas anderes überlegen. Moth ist doch sicher nicht dein richtiger Name â wie hat dich deine Mutter denn genannt?«
»Oh«, sagte ich, um Zeit zu gewinnen. »Ada.«
»Ada«, wiederholte Rose und dehnte die Silben. »Ãiii-daaah ⦠Das gefällt mir. Das hat Allure.«
Ich legte einen Finger ans Kinn, schaute in den Spiegel und versuchte, einen Schmollmund zu ziehen, so wie Mae vor dem Austernmann. Moth. Moth Fenwick. Miss Fenwick. Miss Beautiful. Miss Ada Fenwick, eine Schönheit . Zum ersten Mal in meinem Leben fand ich mich wirklich hübsch.
»Du hast Wunder bewirkt, Rose«, sagte Miss Everett, als sie hereinkam und ich mich noch immer im Spiegel besah.
Sie stellte sich neben mich und flüsterte mir ins
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