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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Lord, eine Lady und ein Senator sind wohl auch jedes Mal dort, außerdem die besten Panzerknacker, Juwelendiebe und Hochstapler.«
    Mae schenkte Alice’ Geplapper keine Beachtung. Sie kam zu mir und zeigte auf das Band an meinem Hals. »Ich würde ihn mir gern leihen«, sagte sie mit Blick auf den Fächer.
    Ich schüttelte den Kopf. Obwohl wir begonnen hatten, das eine oder andere zu tauschen, einander Kämme und Hutnadeln anvertrauten, stand es außer Frage, dass ich den Fächer hergab. »Du weißt genau, dass ich ihn immer bei mir trage.«
    Â»Du schuldest mir aber was, Ada …«
    Â»Dann muss das auch so bleiben.«
    Alice schaltete sich ein und versuchte zu schlichten. »Er hat doch ihrer Mutter gehört. Das ist doch ihr Glücksbringer.«
    Mae gab sich geschlagen, ging zum Fenster und sagte: »Glücksbringer brauche ich eh nicht. Ich sorge selbst für mein Glück.« Und dann war sie fort.
    Â»Lass dich nicht täuschen«, sagte Alice, nachdem Mae in die Nacht entschwunden war. »Sie hat ein ebenso weiches Herz wie du und ich.«
    Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es einen weiteren Menschen gab, dessen Herz so weich wie das von Alice war. Mit ihren sechzehn Jahren strahlte sie immer noch die Unschuld eines viel jüngeren Mädchens aus. Dabei hatte ihr das Schicksal entsetzlich mitgespielt – ihre Eltern und ihre Schwester waren binnen eines Jahres an der Legionärskrankheit gestorben –, doch das hatte Alice nicht gebrochen. Sie hatte, um zu überleben, alle Besitztümer ihrer Familie verkauft (die Silberlöffel der Mutter, die Taschenuhr des Vaters, die besten Kleider ihrer Schwester). Als alles Wertvolle veräußert war, hatte sie Arbeit in Mr. Muellers Bäckerei gesucht und mit rosafarbenem Apfelgelee Zuckerrosen und Zuckerbänder auf Torten aufgebracht. Ein Band, eine Rose, ein Band, eine Rose. Es war eine schlichte Tätigkeit, und Alice beherrschte sie mühelos, doch vom Hunger heimgesucht, war sie am Ende ihrer ersten Woche zur Diebin geworden. Mit Krümeln an der Wange und Zuckerguss auf der Lippe hatte sie Mr. Mueller gebeichtet, dass sie die Beherrschung verloren hatte. »Ich verstehe«, hatte der Bäcker gesagt, sich vor Alice aufgebaut, mit einer Teigrolle drohend in seine Hand geschlagen und ihr gesagt, sie sei entlassen. In diesem Moment war Mae erschienen und hatte sie gerettet.
    Â»Beim letzten Mal hat Mae im Tanzpalast ziemlich viel Kleingeld bekommen«, sagte Alice und stieg in ihr Bett. »Aber sie hat es dort nicht gestohlen oder die Männer deswegen angesprochen, sie hat wohl nur erwähnt, dass sie ihr Retikül vergessen habe und für die Straßenbahn zahlen müsse. Und ihre Begleiter haben sehr gern ausgeholfen.«
    Â»Hatte sie denn keine Angst, zu etwas gezwungen zu werden?«, fragte ich. Auf dem Heimweg zu meinem Dach hatte ich die lüsternen Männer sehen können, die sich vor dem Tanzpalast drängten. So heiter, wie Mae es schilderte, ging es sicher dort nicht zu.
    Â»Angeblich weiß sie sich die Männer nach dem Motto ›Bis hierher und nicht weiter‹ vom Leib zu halten«, sagte Alice mit einem Schulterzucken. »Ich würde sie ja auch, wenn es ihr nur um den Spaß ginge, sofort verraten, doch sie braucht das Geld. Mae will ihrer Mutter unbedingt ein Sargschild schicken, lieber heute noch als morgen. Nicht aus Blech oder Kupfer, sondern aus Silber, mit ganz vielen Schnörkeln am Rand.«
    Maes Mutter hatte einst einen Jungen unter dem Herzen getragen, neun lange Monate, doch das Kind war bei der Geburt gestorben. In ihrer Trauer hatte sie das Schild mit seinem Namen, Timothy O’Rourke , noch entfernen lassen, bevor der winzige Sarg in die Erde gelassen wurde. »Sie bewahrt die Plakette an einem Ehrenplatz auf, neben dem silbernen Krug, den ihre Großmutter aus Irland mitgebracht hat. Diese beiden Dinge sind ihr Stolz und ihre Freude. Sie küsst sie jeden Tag nach dem Morgengebet und erneut zum Abendgebet.«
    Mae wollte nicht, dass ihre Mutter, wo sie doch schon den Sohn verloren hatte, ein Leben lang unter dem Verschwinden ihrer Tochter litt. Sie hoffte, wenn sie ihrer Mutter einen Beweis für ihren angeblichen Tod schicken könnte, eine in glänzendes Silber gravierte Lüge, würde das Herz ihrer Mutter eines Tages heilen.
    Â»Mir reichen Kost und Logis, solange sich der Mann, der mich als Erster bekommt, in

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