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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Mein Inventar sollte dem von Miss Everett genau entsprechen, Zeile für Zeile.
    Worauf auch immer es hinauslaufen mochte, ich war froh, dass ich endlich einmal ein verwöhntes, sorgloses Mädchen war. Ada Fenwick hatte hübsche Kleider, einen vollen Magen und ein weiches Bett. Mehr noch: Ihr bot sich die Aussicht auf ein Leben, wie Moth es niemals gekannt hatte.
    Das größte Problem, das sich mir in diesem Haus bisher gestellt hatte, war das Korsett. Meins bestand aus englischem Leder, mit einem Überzug aus Musselin und war, neben der Verschnürung im Rücken, von einem ganzen System aus Verschlüssen umgeben. »Anfangs musst du es Tag und Nacht tragen«, hatte Rose gesagt, als sie mir das Mieder anlegte, die Schnallen der Reihe nach schloss und dann mit Macht die Schnüre strammzog.
    Begeistert von der Sanduhrform in ihren vielen Spiegeln sagte ich »Ja«, als sie die Schnüre noch fester zurren wollte. Das steife Korsett drückte hart an meine Rippen, doch ich zog die Schultern nach hinten und hielt mich aufrecht, um zu dem Kleidungsstück zu passen, anstatt dagegen anzukämpfen. Etwas, das bei Mrs. Wentworth so mühelos gewirkt hatte, würde mich doch nicht bezwingen!
    Â»Na, Ada«, sagte Alice und kam zu mir ans Bett, »soll ich dich für die Nacht befreien?«
    Alice hatte sich jeden Abend meiner erbarmt und das Korsett gelockert, damit ich wenigstens schlafen konnte. Sie hatte von jungen Jahren an eins getragen und nach so langem Training wundervolle Kurven und eine zierliche Taille. Miss Everett erließ es ihr, nachts das Korsett zu tragen, weshalb Alice umso mehr Mitleid mit mir hatte.
    Â»Ja, bitte«, sagte ich und wandte ihr den Rücken zu, damit sie mir endlich Erleichterung verschaffte.
    Mae machte sich nicht zum Schlafen bereit. Sie legte ein neues Kleid an und zierte sich mit ihrem Lieblingshut und einem Tropfen Neroliöl hinter den Ohren. Sie wollte in die Bowery Concert Hall gehen, wo hübsche junge Mädchen freien Eintritt hatten. Jeden Abend, selbst sonntags, gab es dort Tanz. Obwohl Miss Everett uns eingeschärft hatte, dass wir das Haus nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr zu verlassen hatten, wollte Mae, nachdem sie in der Woche zuvor unentdeckt aus dem (und wieder in das) Fenster geklettert war, ihr Glück erneut versuchen.
    Â»Du gehst noch einmal aus?«, fragte Alice bestürzt.
    Â» Amantes sunt amentes «, erklärte Mae mit koketter Stimme. »Liebende sind Verrückte, meine Teure.«
    Alice schüttelte den Kopf und seufzte.
    Â»Jetzt hab dich nicht so«, schmollte Mae. »Wenn das Haus wach wird, bin ich längst wieder da.«
    Â»Wenn Miss Everett spitzkriegt, was du anstellst, wirft sie dich raus.«
    Mae nahm Alice’ Hand und sah sie mit großen Augen eindringlich an. »Aber das wird sie nicht, oder?«
    Alice zog die Hand zurück und murmelte: »Nein, wird sie nicht.«
    Â»Ich möchte doch nur mit ein, zwei hübschen Kerlen tanzen, bevor ich in Rose’ Zimmer muss«, jammerte Mae. »Habt ihr ihren Polizeichef mal gesehen?«
    Â»Rose gefällt er gut«, erwiderte Alice. »Er geht mit ihr ins Theater, ins Delmonico’s zu Steak und Austern und zu den sonntäglichen Diners der Birnbaums.«
    Â»Zu Mrs. Wolf Birnbaum, auf der Clinton Street?«, fragte ich und malte mir aus, wie sich die Elster durch die Feste ihrer Herrin kreischte und um Kuchen bettelte.
    Â»Genau dorthin gehen sie«, antwortete Mae und warf mir einen interessierten Blick zu. »Warst du da mal?«
    Â»Nur im Geschäft«, erwiderte ich und beließ es dabei.
    Meine Geschichte hätte mir bei Mae womöglich Respekt eingebracht, aber nun, da ich mich für das Huren und gegen das Stehlen entschieden hatte, wollte ich Miss Everett keinen Grund zu Misstrauen geben.
    Â»Rose sagt, die Diners von Mrs. Birnbaum sind ganz und gar extravagant«, warf Alice ein, während sie in ihren Morgenmantel schlüpfte. »Angeblich sind die Tische mit edlem Porzellan, Leinen, Silber und Kristall gedeckt, und all das ist Diebesgut aus den reichsten Häusern der Stadt. Auf dem Sideboard sollen sich Süßigkeiten und Gebäck drängen, der Wein soll aus einem Brunnen fließen, und Piano-Charlie, der eleganteste Einbrecher der Stadt, sitzt die ganze Nacht lang an den Tasten und spielt, was immer sich Mrs. Birnbaum wünscht. Mindestens ein Graf, eine Prinzessin, Baronesse, ein

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