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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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zu den Dachziegeln und über den First hinaus und trug ihren Kummer und ihre Verzweiflung davon. Ob die Frau, die an Miss Everetts Hintertür klopfte, auch so singen konnte?
    Als meine Mahlzeit beendet war, kam ein junger Mann mit einem Korb Stiefel in die Küche, ihm folgte der durchdringende Geruch von Schuhpolitur. Bei Miss Everetts Anblick stellte er den Korb ab und nahm seine fadenscheinige Soldatenmütze ab. »Die Stiefel der Mädchen wären gewienert, Miss Everett«, sagte er. »Benötigen Sie sonst noch etwas?«
    Seine Stimme war seltsam rau im Vergleich zu seinem glatt rasierten, sanften Gesicht. Seine dicken, dunklen Augenbrauen verschatteten große Augen mit langen Wimpern. Seine Jackenärmel waren bis zu den Ellbogen aufgerollt und entblößten sehnige Unterarme. Sie waren lang und dünn, keine Kinderarme mehr, aber auch noch keine Männerarme.
    Â»Würdest du Miss Fenwick ein Bad in Rose’ Zimmer bereiten, Cadet?«
    Â»Ja, Miss Everett«, erwiderte er, nahm zwei Eimer von ihren Haken an der Wand und machte sich an die Arbeit.
    Normalerweise, so sagte Miss Everett, würde zum Baden ein Blechzuber in der Küche benutzt, aber bei meinem ersten Bad in ihrem Haus dürfe ich in Rose Duvals Kupferwanne steigen. »Die war ein Überraschungsgeschenk von ihrem Liebhaber«, erklärte Miss Everett stolz. »Eine Lieferung zu ihrem siebzehnten Geburtstag.«
    Ich kam mit dem Zählen nicht mehr nach, als Cadet Eimer um Eimer an dem Boiler füllte, der an Mrs. Coynes Herd angeschlossen war. Cadets Hände wurden von den Kordelgriffen rot, das Haar fiel ihm in die Augen, der Schweiß tropfte ihm von der Stirn. Ich fand es entsetzlich, dass er meinetwegen so schuften musste, und gerne hätte ich Miss Everett gebeten, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Cadet hatte sicher längst genügend heißes Wasser herbeigeschleppt. Doch ich fürchtete, sie würde mich beim ersten Widerwort aus ihrem Haus werfen.
    Rose’ Zimmer war warm vom Schein des Feuers und der Lampen. Auf ihrem Frisiertisch stand ein Bouquet aus roten Rosen, Parfumflakons reihten sich neben einer silbernen Bürste mit Kamm auf. Eine Wand war vollständig mit goldenen Spiegeln – runden, ovalen, länglichen und rechteckigen – behangen. Sie vervielfachten die Schönheit mit den sinnlichen Lippen und dunklen Augen, die mich dort empfing. Sie trug einen legeren Morgenmantel und offenes dunkles Haar, das die Schultern lockig umspielte. Ich verstand augenblicklich, weshalb sie sich auf der Bühne eines Theaters gesehen hatte. Selbst in diesem Aufzug war sie ein Star.
    Â»Ich überlasse Miss Fenwick dir«, sagte Miss Everett zu Rose.
    Â»Aber ja«, erwiderte Rose, schloss die Tür hinter der Madame und sagte zu mir: »Hier entlang.«
    Â»Danke schön, Miss Duval.«
    Â»Nenn mich bitte Rose.«
    Sie nahm eine kleine blaue Flasche von ihrem Frisiertisch, zog den Stöpsel ab und gab einige Tropfen Lavendelduft in das Bad. »Nur keine Scheu«, sagte sie mit einem reizenden Lächeln. »Von Prüderie wird bloß das Wasser kalt.«
    Die Badewanne stand in der Nähe des Kamins, hinter einem hohen dreiteiligen Paravent, der mit orientalischen Szenerien verziert war und mich an Mrs. Wentworths Fächer erinnerte. Die Geschöpfe auf dem Wandschirm hatten wilde, hungrige Augen.
    Rose reichte mir ein Stück Seife und wies zum Paravent. »Du kannst dich dahinter entkleiden.«
    Ich schnupperte an der Seife mit ihrem kräftigen, würzigen Nelkenduft. Sie war ganz neu – die Ränder des Seifenstücks hatten noch scharfe Kanten. Was für ein Luxus dieser unberührte Klumpen aus Lauge und Fett doch war, besonders nach den Seifenspänen, die Caroline mich immer aus Mrs. Wentworths Bad hatte holen lassen.
    Â»Ich bin hier, wenn du mich brauchst«, rief Rose von der anderen Seite des Paravents.
    An heißen Sommertagen hatten viele Mütter ihre Babys in unserem Hof in einen Bottich gesetzt. Die Kinder hatten immer erst ängstlich gekreischt, und dann vor Wonne gekichert. Mama hatte darüber stets die Nase gerümpft, daher war ich sicher, dass sie so etwas nie für mich getan hatte. Was Sauberkeit anging, vertrat sie eine strikte Haltung. Strömendes Wasser, nach alter Zigeunersitte wie an einem Fluss, war ihr am liebsten. Sie wusch sich nur an der Pumpe oder goss sich das Wasser aus einem Krug über den

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