Der verbotene Garten
»Ãää-dah.« Sie löste ihren Schal und rief: »Wusst ich doch, dass duâs bist!«
»Ada ist dran!«, sang Mae.
»Hilf mir, Mae zu fassen«, flüsterte ich Alice zu, als sie mir die Augen verband.
Mae drehte mich noch öfter als Alice um die eigene Achse. Danach war mir so schwindlig, dass ich das Gefühl hatte, ich müsse gleich hinfallen. Gegen die Regel streckte ich die Arme aus und spreizte die Finger, um mich zu orientieren.
»Hände weg!«, schimpfte Alice von irgendwoher.
Ich hörte Schritte, schwere und sanfte. Ãberall um mich herum flüsterte es.
Ada
Ada
Ada
Ada
Ich stolperte in die Richtung, aus der ich glaubte, Mae gehört zu haben, doch ich lief in jemand anderes.
»Keine Hände«, warnte Mae von hinten.
Wie eine Katze rieb ich meine Wange an der Brust dieser Person, fühlte ein kratziges Jackett und roch Stiefelpolitur. Cadet.
»Lass mich dich küssen«, flüsterte er und fasste meine Arme, sodass ich ihm nicht entfliehen konnte.
Ich hatte es mir erträumt, insgeheim sogar geplant, wie ich es anstellen würde, hatte mir ausgemalt, mit ihm allein in der Küche zu sein oder bei Nacht in sein Zimmer zu schlüpfen, um mir einen Kuss zu stehlen, wenn er schlief. Aber das waren die mutigen Schwärmereien mädchenhafter Einbildungskraft. In meiner Traumwelt war ich Ada Fenwick, weiblich, mit schönen Brüsten und langem, flieÃendem Haar. Nun, im Dunkeln, tatsächlich so nahe bei Cadet, war ich nur noch Moth, und meine Mutter mahnte von der einen Seite, nichts mit einem Jungen anzufangen, und mein Vater fragte von der anderen: »Warum hast du dir den Namen nehmen lassen?«
Cadet beugte sich vor, dann drückten sich seine Lippen auf meine. Es erschien mir wie eine Ewigkeit. Wir atmeten flach und warm, Nase an Wange.
Mit einem Mal kam Gelächter aus den Zimmerecken, und der Bann brach.
Mae zog mir den Schal vom Kopf. Alice zündete eine Lampe an. Cadet war fort.
Mit seinem salzig-süÃen Geschmack auf meinen Lippen nahm ich nichts mehr wahr, was Mae oder Alice danach sagten. Zum ersten Mal in meinem Leben verstand ich, wozu es Hüften, Beine, Brüste, Hände, Seufzer und die Fantasie gab.
»Kein Mann darf durch diese Tür treten, wenn er nicht Gentleman durch und durch ist«, versicherte mir Miss Everett am Morgen meines ersten Erscheinens in ihrem »Ruheraum«. »Er muss von ehrbarer Herkunft und tadellosem Ruf sein. Und muss auf Empfehlung kommen.«
Vor zwölf Uhr war Herrenbesuch nicht gestattet, mit Ausnahme des Sonntags. Dann aber, um halb zwölf, marschierte stets eine Handvoll geladener Herren in das Haus, um zuzuschauen, wie Miss Everetts Beinahe-Huren die Kleider ablegten.
Der Sinn des Ganzen war, Interesse zu erregen. Wenn alles gut ging, bat einer der Herren um eine Verabredung zum Kennenlernen. Dem folgten formlose Lunchs unter Aufsicht, ein Abend im Theater und schlieÃlich das Angebot für ein Tête-à -Tête. Miss Everett versicherte mir, dies sei ein geregelter Prozess, und sie würde bei jedem Schritt auf mich achten.
Es gab zwei Salons im Haus. Der groÃe Salon lag vorn, dies war der Raum, wo Emily Harfe oder Klavier spielte, während sich Missouri und Rose gegenseitig aus Zeitschriften oder Bilderbögen vorlasen. Dort warteten auch ihre Besucher mit Blumen, einer Schachtel Pralinen oder einem anderen Geschenk. Kamen sie mit leeren Händen, schickte Miss Everett sie gleich wieder fort.
Den anderen Salon â den Miss Everett ihren »Ruheraum« nannte â konnte man nur durch eine Schiebetür an der getäfelten Rückwand des groÃen Salons betreten. Hinter dieser Tür wartete eine Reihe aus bequemen Sesseln, die mit dunkelrotem Samt bezogen waren.
Die Sessel standen dicht vor einem Gitter-Paravent, der den Raum der Länge nach teilte. Dahinter befand sich eine niedrige Bühne, die so angelegt war, dass jeder Mann sie von seinem Platz aus gut einsehen, und so breit, dass man sich bequem darauf bewegen konnte. Rechts der Bühne stand eine groÃe Musiktruhe, mit deren Kurbel man Messingwalzen zum Rotieren brachte. Dann klimperte ein Lied sein pling pling pling , mechanisch wie Regentropfen auf dem Dach.
Ich wäre zwar so weit von dem Paravent entfernt, dass ich die Männer nicht wirklich sehen konnte, dennoch beunruhigte mich der bloÃe Gedanke ihrer Anwesenheit. Aber auch unabhängig von der
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