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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Tee, wenn Sie mögen.«
    Â»Dafür wäre ich sehr dankbar«, antwortete Mrs. Riordan für uns beide.
    Miss Everett nickte ihr zu und verschwand in der Küche.
    Â»Mein liebes Kind«, begann Mrs. Riordan mit viel schwächerer Stimme, als ich sie in Erinnerung hatte. »Ich habe dir etwas wegen deiner Mutter zu sagen.« Sie nahm meine Hand und drückte sie sehr fest. »Sie ist verschieden, Moth«, verkündete sie mit wässrigen, traurigen Augen. »Sie wurde ertrunken im Fluss gefunden. Ein paar Jungs haben sie unter den Docks hervorgefischt.«
    Tränen brannten mir in den Augen. Das Herz tat mir weh. Aber ich konnte mich nicht gegen die Vorstellung wehren, dass das ein Trick war, Mama sich irgendwo versteckt hatte und nur sehen wollte, ob ich noch an ihr hing.
    Â»Und es ist … ganz sicher sie?«
    Mrs. Riordan nickte andächtig. »Ja.«
    Die Nachricht war von Mund zu Mund gewandert, von der Werft zur Straße, der Gasse zum Marktstand, über Mrs. Kunkel und Mr. Bartz, bis sie Mrs. Riordan erreichte. Ich konnte mir genau vorstellen, was geredet worden war.
    Â»Habt ihr das mit der Frau gehört, die man letzte Nacht aus dem Fluss gezogen hat? Soll ’ne Zigeunerin gewesen sein.«
    Â»Ich weiß ganz sicher, dass das die Wahrsagerin war, die ihre Tochter verkauft hat, die aus der Chrystie Street.«
    Â»Das war doch sowieso ’ne Diebin und ’ne Lügnerin. Da hat sie ja endlich die gerechte Strafe bekommen.«
    Â»Ich konnte dich unglücklicherweise nicht rechtzeitig finden, damit du ihren Leichnam beanspruchen könntest«, klagte Mrs. Riordan. »Sie wurde schon auf den Armenfriedhof gebracht.«
    Als das Bild von Mamas traurigem, triefendem Leichnam vor meinem geistigen Auge erschien, verlor ich die Fassung. Ich hatte versucht, sie zu vergessen, meine Erinnerungen Stück für Stück hinweggewünscht, und nun war sie wirklich tot, fast, als hätte ich es so gewollt. All meine Liebe kam in dem Moment zurück, Hand in Hand mit meinem Kummer darüber, dass mich meine Mama weggegeben hatte. Nun war es zu spät für Vergebung und für Abschied.
    Mrs. Riordan holte ein zerknülltes Tuch aus ihrer Tasche und legte es sich in den Schoß. Sie zog die Enden auseinander, und hervorkamen ein kleiner Silberlöffel und ein längliches Fläschchen, ihrem Finger ähnlich, das an einer Kette hing. »Fang während dieser bitteren Nacht so viele Tränen, wie du kannst, und löffle sie in dieses Fläschchen, schau, so«, sagte sie und machte es mir vor. »Wenn die Tränen versiegt sind, verschließe es. Mit der Zeit werden die Tränen hierin weniger, so wie dein Kummer. Dann weißt du, dass du genug getrauert hast.«
    Sie reichte mir Löffel und Fläschchen mit den Worten: »Es waren meine, als mein Johnny verstarb.«
    Â»Das kann ich nicht annehmen«, widersprach ich und versuchte, ihr den Tränenfänger zurückzugeben.
    Â»Du musst«, beharrte sie. »Andernfalls kehrt kein Glück ein.«
    Ich stellte das Fläschchen und den Löffel ab und dankte ihr für ihre Freundlichkeit. Ihr zahnloses Lächeln und ihre tröstliche Gegenwart hatten mir gefehlt. Ich wünschte nur, Mrs. Riordan hätte aus einem glücklicheren Anlass zu mir gefunden.

    Â»Eines muss ich dir noch sagen.« Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. »Ich habe aus sicherer Quelle erfahren, dass ihre Augen offen waren, als man sie fand.«
    Wir wussten beide: Eine Leiche mit offenen Augen kündete von einem Fluch. Die Seele hatte im Augenblick des Todes keinen Frieden gefunden und würde nun Familie und Freunde so lange heimsuchen, bis sie eine andere Seele zu sich ins Grab ziehen konnte.
    Ich hatte die Ballade von Mary O’Day oft genug gesungen, und so wusste ich, dass der ruhelose Geist einer Mutter besonders eine Tochter plagte.
    Mary O’Day ist wie von Sinnen,
seit die Mutter ihr verblich.
Denn, wisse, nirgends gab’s Entrinnen
vor der Mutter offen Aug.
    Â»Schau«, sagte Mrs. Riordan und holte noch ein Geschenk hervor. »Ich habe mir erlaubt, deine Puppe einmal richtig auszustopfen.«
    Â»Ich danke Ihnen«, sagte ich und drückte Miss Sweet an meine Brust.
    Mrs. Riordan blieb die ganze Nacht bei mir und hielt mich im Arm, während ich die Puppe wiegte.
    Am nächsten Morgen wies Miss Everett die Köchin an, einen Korb zu füllen; sie rief sogar eine

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