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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Morgen kam Miss Everett an mein Bett. »Leg das Kleid an, das beim Empfang von Besuch zu tragen ist. Ein Gentleman ist hier, der dich zu sehen wünscht.«
    Â»Ja, Ma’am«, erwiderte ich und hätte mir am liebsten die Decke über den Kopf gezogen und weitergeschlafen. Erstaunlich, dass Miss Everett mir nach dem Stolperer im Theater bereits eine private Begegnung mit einem Herrn zutraute, doch ihre Anweisungen würde ich keinesfalls infrage stellen – und mit einem Gentleman im Salon Tee zu trinken, war weit besser, als wieder auf der Straße zu landen.
    Im Salon erwartete mich Mr. Dink. Er saß in einem der Samtsessel mit den hohen Rückenlehnen, eine stabile Kiste zu seinen Füßen. Darauf stellte er sich, als ich eintrat.
    Â»Miss Fenwick«, sagte er und reichte mir ein Bouquet tiefroter Rosen, passend zur Blüte in seinem Knopfloch. »Wie reizend, Sie wiederzusehen.«
    Â»Es ist auch schön, Sie wiederzusehen«, entgegnete ich.
    Miss Everett lächelte Mr. Dink von der Tür aus an. »Kaffee oder Tee?«
    Â»Ich fürchte, heute bleibt mir nur Zeit für das Geschäftliche.«
    Â»Nun gut«, erwiderte Miss Everett. »Wollen wir dann gleich zur Sache kommen?« Sie setzte sich Mr. Dink gegenüber und bedeutete mir, auf dem Sofa Platz zu nehmen.
    Mr. Dink war mir nicht einmal unlieb. Es hätte, so fand ich, weit schlimmer kommen können.
    Â»Sie haben mir sehr imponiert, Miss Fenwick«, hob er an und strich sich wieder über den Bart, wie schon im Pausenraum. »Ihre anmutige Gestalt und Ihr natürliches Wesen haben einen bleibenden Eindruck hinterlassen.«
    Ich nickte ihm unbeholfen zu, der kleine Mr. Dink nickte zurück, grinste und setzte dann zu einer längeren Erklärung an. Irgendwann zwischen Mitternacht und Morgendämmerung sei ihm aufgegangen, dass unsere kurze Begegnung zu einem Arrangement führen könne, das für alle Beteiligten von großem Vorteil sei.
    Miss Everett lächelte nun ebenfalls und nickte.
    Ich versuchte, mich mit Mr. Dink zu sehen – seine Hand auf meiner, seine Lippen an meiner Wange –, doch die Vorstellung war mir nicht geheuer.
    Mr. Dink zog ein Büchlein aus der Tasche und zeigte mir eine Skizze: Vor dem Eingang zu seinem Museum stand eine gut gekleidete junge Dame, über ihren Rock zogen sich zahlreiche Kästchen, und ein ganzes Heer von Pfeilen wies auf ein Schild mit der Aufschrift CARTES DE VISITE!
    Â»Sie können das natürlich nicht wissen, meine Teure, aber mein Museum bietet den Besuchern – zu einem ehrlichen Preis – auch kleine Wunder und Kuriositäten für das Zuhause an«, sagte er. »Hierzu gehören, unter anderem, Ampullen mit echtem Pharaonenstaub, kleine Stücke Mumienstoff, die Zähne so furchterregender Kreaturen wie Hai, Wolf, Hyäne, Bär und Tiger, Vogelschaukarten der Städte unseres Landes, Imitate von Schrumpfköpfen, Wachsmodelle der Knöchelchen des Innenohrs und eine große Auswahl an Cartes de visite . Unglücklicherweise«, so fuhr er fort, »ist der Platz zur Aufstellung dieser Karten begrenzt: ein einziges Regal hinter der Theke, und dies für einhundert Generäle, Indianerhäuptlinge, Schauspielerinnen, Varietékünstler und Zirkusstars. Die Besucher übersehen sie häufig zugunsten der vielen anderen Artikel, oder, schlimmer noch, verlassen das Museum ohne jeden Kauf. Und das«, verkündete er, »ist eine verpasste Gelegenheit! Den vermögenden Tabakhändlern dieser Stadt geht stets eine hübsche Verkäuferin bei der Kundschaft zur Hand. Auch die Maisverkäuferinnen, obwohl keine Ihrem Stand und Auftreten nahekommt, Miss Fenwick, sind vorwiegend wohlgestalte junge Mädchen. Ich könnte noch ewig über all die frischen Gesichter hinter dem Erfolg eines jeden Geschäftsmanns in dieser Stadt sprechen, doch es genügt wohl zu sagen, dass ein Gentleman sein Geld viel lieber hergibt, wenn dabei ein hübsches Mädchen im Spiel ist.«
    Dann schloss er so feierlich, als würde er mir gleich den Titel einer Prinzessin, Herzogin oder Gräfin verleihen: »Um es kühn und frei heraus zu sagen, ich wünsche, dass Sie, Miss Fenwick, New Yorks erstes und einziges Cartes-de-visite -Mädchen …«
    Â»Es wäre natürlich ein begrenztes Engagement«, unterbrach Miss Everett. »Bis du dich sozusagen als Gesellschafterin für die Herrenwelt

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