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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
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Frauen des Tableaus. Sie hatte eine Hand anmutig um den Kopf gelegt und ein Knie leicht gebeugt, um die Locken zwischen ihren Beinen zu verbergen.
    Die Frauen verharrten endlos lange unbeweglich, als hätte ein Maler sie so festgehalten. Jede einzelne von ihnen war makellos und blütenweiß, für uns zur Schau gestellt, damit wir sie betrachten, bedenken und begehren konnten. Miss Lowe war mit Abstand die Hinreißendste, das Kastanienhaar floss ihr bis über die Hüften, ihre Lippen waren perfekt geschwungen. Ich drehte Rose’ Opernglas zur Seite und belauerte Mr. Dink, der seine Darstellerin ansah und mit leicht geöffnetem Mund nickte, so als wollte er sagen: Ja, oh ja . Dann schwenkte ich wieder zu Miss Lowe und hätte schwören können, dass sie ein Vielleicht lächelte.
    Nun änderten sich Beleuchtung und Bühnenbild, und die Frauen verwandelten sich in immer neue Gemälde, neue Motive. Sie wurden zu Göttinnen und Schwänen, Engeln und Heiligen. Jedes Mal, wenn sie eine neue Pose einnahmen, schwoll die Musik an, und die Menge jubelte. Je öfter die Szenerie wechselte, umso größer wurde die Begeisterung des Publikums. Ich drückte die Hände an mein Herz und sehnte mich danach, wie sie zu sein, mich mit so viel Selbstbewusstsein zu bewegen und in alles zu verwandeln, was ich wollte.
    Manchmal, einen Moment lang nur, ist alles, wie man es sich wünscht. Solche Momente leben im Herzen weiter und warten dort darauf, dass man sie braucht – und wenn es bloß zur Erinnerung daran ist, dass einmal, ein einziges Mal, alles gut war und vielleicht eines Tages wieder wird. Ich besaß wenige solcher Erinnerungen – Mama wickelt sich ihr Tuch um den Kopf, mein Vater lüftet den Hut, bevor er fortgeht, Miss Keteltas’ Vögelchen schnäbeln und kuscheln miteinander, Mrs. Wentworths Armband liegt warm an meiner Haut, ich esse süßen Kuchen in Miss Everetts Salon, Cadets Lippen liegen weich auf meinen, feucht und süß. Was auch geschehen würde, welches Schicksal mir Miss Everett auch zugedacht hatte, nun besaß ich außerdem das Bild von Suzie Lowe. Es würde mich immer daran erinnern, dass ich ein Mädchen voller Sehnsüchte war, ein Mädchen, das über das hinausgehen wollte, was man in ihm sah.

21. Wird sich bei mir bald ein Freier melden?
    22. Der Herr, den ich so gern sehe – denkt er an mich?
    23. Hält man mich noch für ein Kind?
    24. Ist sein Herz so liebevoll wie meines?
    25. Was muss ich tun, um ihm zu gefallen?
    26. Ist es ratsam, den ersten Brief zu beantworten?
    27. Was wird geschehen, wenn ich zu dem Rendezvous gehe?
    Aus: Das Orakel für die Dame von
Cornelius Agrippa, einem unfehlbaren
Propheten männlichen Geschlechts.
    XXIII
    N achts im Bett wälzte ich mich, trotz der Erinnerung an das Bild von Suzie Lowe, rastlos hin und her. Immer wieder durchlebte ich den Moment, als ich all den Herren samt ihren Damen vor die Füße gefallen war.
    Alice flüsterte mir im Dunkeln zu: »Ada, alles in Ordnung?«
    Â»Ja«, erwiderte ich. »Es ist alles gut.«
    Â»Ist es nicht.«
    Ich schwieg und hoffte, dass sie es damit auf sich beruhen ließ.
    Â»Du grämst dich doch nicht noch wegen deines Sturzes, oder?«
    Â»Doch.«
    Â»Ach, hör auf damit. Miss Everett hat dir sofort vergeben, als Mr. Dink erschienen ist. Abgesehen davon bist du das hübscheste Mädchen hier. Sie wäre verrückt, dich vor die Tür zu setzen, wegen eines lächerlichen Stolperns.«
    Â»Ich bin nicht die Hübscheste.«
    Â»Laut Rose aber schon. Gestern erst hat sie genau das zu Miss Everett gesagt. Mae hat es auch gehört – nicht wahr, Mae?«
    Mae schlief wie eine Tote.
    Â»Ich weiß, du wolltest mir aufhelfen«, flüsterte ich Alice zu, die wahrlich das weichste Herz von uns allen hatte. »Danke.«
    Â»Der Herr, der dir zu Hilfe geeilt ist, war recht gutaussehend«, sagte sie. »Er hätte sich bestimmt vorgestellt, wenn seine Begleiterin ihn nicht wieder zu sich gewunken hätte.«
    Mir wäre es lieber gewesen, Cadet wäre zu meiner Rettung geeilt, seine Hände hätten sich um meine Taille geschlossen, und ich hätte seinen Atem warm an meinem Hals gespürt. Das aber würde nie geschehen, denn offenbar war er fest entschlossen, mich niemals wieder anzuschauen.
    Â»Gute Nacht, Alice«, sagte ich.
    Â»Gute Nacht, Ada.«
    Am nächsten

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