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Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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wollte sie wissen.
    »Das Ungeborene«, sagte Mihai, und wie er es erwartet hatte, verstand sie sofort. Es war so einfach. Ihr Verlangen war so groß, dass er sie überhaupt nicht drängen musste. Gemeinsam stiegen sie in die Kammer des Mädchens hinab und traten ein. Der Junge war schon vor Monaten fortgebracht worden, und sie war allein. Die Aufregung in ihren Gesichtern entging dem Mädchen nicht, und auf seiner Miene zeichnete sich Angst ab. Es umklammerte seinen Bauch und zog den Kopf ein, versuchte sich vor ihren Augen zu verstecken und sich zu schließen wie die Knospe einer Blume.
    Aber sie hatte keine Chance. Die Königin drückte ihren Kopf mit Gewalt nach hinten, und Mihai tat das Herz weh, als er den Schrecken des Mädchens sah.
    »Du wirst alles verstehen«, versicherte er der Königin, und dann plötzlich war es geschehen. Ihr vollkommener Körper stand leer da. Mihai wartete einen unerträglichen Moment lang, um zu prüfen, ob sie getan hatte, was er ihr gesagt hatte. Er beobachtete das Mädchen. Seine Lider flatterten, und es starrte ihn verwirrt an. Zwar hatte sie gespürt, wie die Königin in sie eingedrungen war, doch hatte ihre Herrin sie nicht eingenommen, sondern die Kälte war einfach durch s ie hindurchgefahren. Ehe sie sich wundern konnte, was genau geschehen war, flüsterte Mihai sie in Schlaf, fing ihren Körper auf, hielt ihn einen Augenblick lang in den Armen und strich sanft über den Bauch, ehe er sie auf das Bett aus Fellen legte.
    Sie sollte keinen Verdacht schöpfen, was sie wirklich in sich trug.
    Er brachte den Körper der Königin hinunter ins Tabernakel der Spione, küsste sie auf die Stirn und ließ die Lippen auf der eisigen Haut verweilen, ehe er ging. Er schloss die Tür ab und steckte den Schlüssel in seine Tasche. Dann zerbrach er die Kette und die Schelle, mit der Zaranya an ihn gefesselt war, ließ die Eidechse frei und verspürte beinahe so etwas wie Traurigkeit angesichts der Trennung. Nun kehrte er zu dem Mädchen zurück. Es herrschte immer noch tiefe Nacht, als er sie durch das glitzernde Fenster nach London brachte und die Luft hinter ihnen wieder verschloss, wodurch Tajbel außer Sicht geriet. Die Wölfe heulten noch den strahlenden Mond an, und die Eulen, Raben und Falken kreisten in der Luft. All die Laute wurden abgeschnitten, als das Fenster zuging.
    Wenn die Dämmerung über Tajbel anbräche, würden die Druj ihre Königin suchen, damit sie sie in die menschlichen Cithrim zurückflüsterte, aber niemand würde sie finden. Der Körper im Tabernakel war leer, dort befand sich kein Animus, den sie wittern oder verfolgen konnten. Sie würden Tiere bleiben, und mit den scharfen Zähnen und Schnäbeln wären sie nicht in der Lage, die Magie auszusprechen, die in ihren Leibern eingesperrt war. Sie konnten sich auch nicht an andere Stämme wenden, um von ihnen das Flüstern zu erflehen − die Rivalität war zu groß. Ihre Druj-Brüder und –Schwestern würden die Entmachtung des Tajbelstammes, der den Schutz der Königin verloren hatte, mit Freude aufnehmen.
    Mihai hatte deswegen kein schlechtes Gewissen. Besser ein Tier in der Haut eines Tieres, dachte er, denn in der Menschentarnung. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Yazad das schwangere Mädchen mit sanfter Stimme tröstete, sah, wie sie ängstlich vor dem Feuerschein hockte, erfüllt von Ehrfurcht vor ihrer neuen Umgebung. Er erinnerte sich an den Zopf an der Kette der Königin und dachte an den Jungen, den man allein wegen seiner Haarfarbe gesucht und gejagt hatte, und dann tat es ihm um die Druj in Tajbel überhaupt nicht mehr leid.
    Noch einmal betrachtete er den vollen, reifen Bauch der Izha und stellte sich vor, was in ihrem Innern still und leise wirkte, welche Fasern von Seele und Animus sich verflochten und zusammenwuchsen wie Wurzeln, die in die Erde griffen. Schließlich verschwand er durch ein Fenster und überließ sie Yazads Fürsorge.
    Er brauchte nur noch zu warten.
    Diese vierzehn Jahre sollten die längsten seines sehr langen Lebens werden.

– SECHZEHN –
Asche und Staub
    E inst, vor vielen Jahrhunderten«, erzählte Mihai leise und gepresst, während er Esmé an seine Brust drückte, da sie um sich schlug und schrie, »ging eine Sekte Gläubiger heimlich zu dem Dokhma vor ihrer Stadt. Das war kein Ort für die Lebenden. Dort im hohen, einsamen Turm des Schweigens wurden die Toten abgelegt, damit ihre Fäulnis weder die geweihte Erde noch das heilige Feuer verunreinigte. Es war ein

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