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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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sehr leid«, sagte Veyrenc und reichte ihm ein Glas.
    Er drückte es mehrmals gegen Adamsbergs Hand, so wie man ein Kind zwingt, die geschlossene Faust zu öffnen, sich mitzuteilen in seinem Trotz oder seiner Not. Adamsberg bewegte einen Arm, ergriff das Glas.
    »Aber er ist ein hübscher Kerl«, setzte Veyrenc ziemlich vergeblich hinzu, als gäbe er zu bedenken, dass es doch auch einen Tropfen Hoffnung in diesem Meer von Unheil gab.
    Adamsberg stürzte das Glas in einem Zug hinunter, ein Schlag vor die Magenwand, er musste husten, das munterte ihn auf. Solange man seinen Körper spürt, kann man noch etwas tun. Was heute Nacht nicht der Fall gewesen war.
    »Woher weißt du, dass ich mit Marie-Ange geschlafen habe?«
    »Weil sie meine Schwester ist.«
    Großer Gott. Adamsberg hielt Veyrenc stumm sein Glas hin, der es von neuem füllte.
    »Iss etwas Brot dazu.«
    »Ich kann nicht essen.«
    »Iss trotzdem, zwing dich dazu. Ich habe auch fast nichts runtergekriegt, seit ich sein Foto in der Zeitung gesehen hatte. Du bist vermutlich der Vater von Zerk, aber ich bin sein Onkel. Das ist auch nicht sehr viel besser.«
    »Warum heißt deine Schwester Louvois und nicht Veyrenc?«
    »Sie ist meine Halbschwester, die Tochter aus erster Ehe meiner Mutter. Erinnerst du dich nicht an Vater Louvois? Den Kohlenhändler, der mit einer Amerikanerin durchgebrannt ist?«
    »Nein. Warum hast du mir das nie gesagt, als du in der Brigade warst?«
    »Meine Schwester und der Junge wollten nichts von dir wissen. Man mochte dich nicht.«
    »Und warum hast du nichts runtergekriegt, seit du die Zeitung gesehen hast? Du sagst, Zerk hat den Alten nicht umgebracht. Also bist du dessen nicht sicher?«
    »Nein. Überhaupt nicht.«
    Veyrenc drückte Adamsberg eine Käseschnitte in die Hand, und traurig und mit Bedacht kauten beide langsam ihr Brot, während das Feuer im Kamin erlosch.

40
     
    Bewaffnet diesmal, schlug Adamsberg erneut den Weg zum Fluss ein, dann zum Wald hinauf, alle ungewissen Orte meidend. Danica wollte ihn nicht gehen lassen, aber das Bedürfnis, zu laufen, war gebieterischer als die Schreckensvisionen der Hausherrin.
    »Ich muss wieder lebendig werden, Danica. Ich muss verstehen.«
    So hatte Adamsberg eine Eskorte akzeptiert, und Boško und Vukasin folgten ihm von weitem. Von Zeit zu Zeit gab er ihnen ein kleines Zeichen mit der Hand, ohne sich umzuwenden. Hier in Kisilova sollte er bleiben, wo das Feuer des Krieges nicht gewütet hatte, bei diesen aufmerksamen, wohltuenden Menschen, nicht in die Stadt zurückkehren, vor denen da oben die Flucht ergreifen, ihnen durch die Finger schlüpfen, auch diesen aus der Hölle gefallenen Sohn hinter sich lassen. Bei jedem seiner Schritte stiegen wild durcheinander die Gedanken in ihm auf und sanken wieder hinab, wie er es gewohnt war, Fische, die ins Wasser hinabstießen und wieder an die Oberfläche emportauchten, ohne dass er versuchte, sie zu fangen. So hatte er es immer gehalten mit den Fischen, die sich in seinem Kopf tummelten, er hatte sie immer frei herumschwimmen lassen, wie sie wollten, in ihrem rhythmischen Tanz der Bewegung seiner Schritte folgend. Adamsberg hatte Veyrenc versprochen, zu einem späten Mittagessen zurück zu sein in der Krutschema, und nach einem Marsch von einer halben Stunde, bei dem sein Blick über Hügel, Weinberge, Bäume schweifte, fühlte er sich dazu schon eher bereit. Er wandte sich um, lächelte Boško und Vukasin zu und machte ihnen zwei Zeichen, die »danke« und »wir gehen zurück« bedeuteten.
     
    »Jetzt können wir nur noch nachdenken«, sagte Veyrenc und faltete seine Serviette auseinander.
    »Ja.«
    »Oder wir bleiben hier bis ans Ende unserer Tage.«
    »Warte«, meinte Adamsberg und stand auf.
    Vlad saß an einem der Tische, und Adamsberg erklärte ihm, dass er allein mit Veyrenc reden müsse.
    »Hattest du Angst?«, fragte Vlad, der immer noch sehr beeindruckt davon schien, wie er Adamsberg aschfahl und rot hatte aus der Erde steigen sehen, was er »den Ausstieg aus der Gruft« nannte, wie in einer der großen Geschichten seines Dedo.
    »Ja. Ich hatte Angst, und ich hatte Schmerzen.«
    »Hast du geglaubt, dass du sterben wirst?«
    »Ja.«
    »Hattest du Hoffnung?«
    »Nein.«
    »Dann sag mir, was dir so durch den Kopf ging, woran du gedacht hast.«
    »An kobasice .«
    »Bitte«, beharrte Vladislav. »Woran?«
    »Ich schwöre bei deinem Haupte, dass ich an kobasice gedacht habe.«
    »Das ist lächerlich.«
    »Kann ich mir denken. Und was ist

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