Der verbotene Ort
zum Ziel. Zu einer unschuldigen kleinen Patronenhülse, die ihren Weg unter einen Kühlschrank findet, zu unschuldigen Bleistiftspänen, die auf einem Teppich platziert werden.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich kenne die Akte nicht. Hast du darum den Verdächtigen laufenlassen? Hat man dich dazu gezwungen?«
»Du meinst Émile?«
»Nein, den anderen.«
»Ich habe Zerk nicht laufenlassen«, sagte Adamsberg bestimmt.
»Wer ist Zerk?«
»Der Zerquetscher. Der Mörder von Vaudel und Plögener.«
»Wer ist Plögener?«
»Ein Österreicher, der fünf Monate zuvor die gleiche Behandlung erfahren hat. Du weißt ja am Ende überhaupt nichts. Und doch bist du es, der die Gruft von Kisilova öffnet.«
Veyrenc lächelte.
»Du wirst mir niemals wirklich vertrauen, nicht wahr?«
»Wenn ich dich eines Tages verstehe, werde ich’s können.«
»Ich bin mit dem Flugzeug nach Belgrad und von dort weiter mit dem Taxi, ich war vor dir in Kiseljevo.«
»Du wärst aufgefallen im Dorf.«
»Ich habe in der Hütte auf der Lichtung übernachtet. Ich habe dich vorbeigehen sehen, am ersten Tag.«
»Als ich Peter Plogojowitz gefunden habe.«
»Und wer ist das?«
Veyrencs Unwissenheit schien echt zu sein.
»Veyrenc«, sagte Adamsberg und stand auf, »wenn du Peter Plogojowitz nicht kennst, dann weiß ich wirklich nicht, was du hier machst. Es sei denn, du hättest dir gedacht – aber sag mir, warum –, dass ich in Gefahr bin.«
»Ich bin nicht hierher gekommen in der Vorstellung, dich aus dieser Gruft zu befreien. Ich bin nicht gekommen in der Vorstellung, dir zu helfen. Im Gegenteil.«
»Na also«, sagte Adamsberg. »Wenn du so sprichst, verstehe ich dich schon besser.«
»Aber ich hätte dich auch nicht in dem Grab sterben lassen. Glaubst du mir?«
»Ja.«
»Ich dachte, die Gefahr wärst du. Ich bin dir gefolgt, als du dich auf den Weg zur Mühle machtest, ich habe den Mietwagen auf der Chaussee stehen sehen, mit einem Belgrader Kennzeichen. Deiner, habe ich gedacht. Ich wusste nicht, wo du hinwolltest, und habe mich im Kofferraum versteckt. Aber es kam anders. Ich bin mit dir auf diesem gottverlassenen Friedhof gelandet. Der Typ hatte eine Waffe und ich nichts. Ich habe gewartet, beobachtet. Und, wie ich dir schon sagte, er kam immer wieder zurück, um sein Werk zu kontrollieren. Erst spät an diesem Morgen konnte ich eingreifen. Fast zu spät. Noch zwei Stunden, und du wärst ein Zentaur geworden.«
Adamsberg setzte sich wieder, betrachtete von neuem die Stickereien auf seinem Hemd. Nur nicht dieses Lächeln von Veyrenc ansehen, sich von diesem Typen nicht einwickeln lassen wie in Klebeband.
»Du hast Zerk also gesehen.«
»Ja und nein. Ich bin eine Weile nach euch aus dem Wagen geklettert, und ich habe mich ziemlich weit entfernt versteckt. Ich konnte eure Umrisse erkennen, mehr nicht, sein Lederblouson, seine Stiefel.«
»Ja«, sagte Adamsberg mit zusammengepressten Lippen. »Zerk.«
»Wenn du unter ›Zerk‹ den Mörder von Garches verstehst, ja, das war Zerk. Wenn du mit ›Zerk‹ den Typen meinst, der am Mittwochmorgen zu dir in dein Haus kam, das war nicht Zerk.«
»Warst du an dem Morgen etwa auch da?«
»Ja.«
»Und du bist nicht eingeschritten? Das war derselbe Mann, Veyrenc. Zerk ist Zerk.«
»Der nicht zwangsläufig Zerk ist.«
»Du bist nicht deutlicher als vorhin.«
»Bist so verändert du, dass du die Klarheit liebst?«
Adamsberg stand auf, griff sich die Schachtel Morava vom Kaminsims und zündete sich an einem glimmenden Holz eine Zigarette an.
»Du rauchst?«
»Zerks Schuld. Er hat eine Schachtel bei mir liegenlassen. Ich werde so lange rauchen, bis ich ihn habe.«
»Warum hast du ihn dann laufenlassen?«
»Nerv mich nicht, Veyrenc. Er hatte die Waffen, ich konnte nichts tun.«
»Nein? Nicht mal nach seinem Weggang Verstärkung anfordern? Nicht mal das Viertel abriegeln? Warum?«
»Das geht dich nichts an.«
»Du hast ihn laufenlassen, weil du nicht sicher warst, dass er der Mörder von Garches ist.«
»Da bin ich absolut sicher. Du kennst nicht eine Zeile von dem Untersuchungsbericht. Aber ich kenne ihn, also lass dir sagen, dass Zerk in Garches seine DNA hinterlassen hat, in einem Papiertaschentuch. Dass dieselbe DNA auf ihren zwei Beinen am Mittwoch bei mir eingedrungen ist in der eindeutigen Absicht, mich umzulegen, an diesem Morgen oder einem anderen. Dass der Kerl boshaft ist wie die Krätze. Und dass er den Mord kein einziges Mal geleugnet hat.«
»Nein?«
»Im
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