Der verbotene Ort
deiner Vorfahren mütterlicherseits nach, also derjenigen von Zerk. Kennst du die?«
»Sehr gut. Ich habe mich bis zum Überdruss mit Ahnenforschung beschäftigt.«
»Hervorragend. Schreib sie aufs Tischtuch. Bis wann kannst du zurückgehen?«
»Bis 1766, das sind siebenundzwanzig Familiennamen.«
»Das wird reichen.«
»Sie waren nicht sehr schwer herauszufinden, alle Vorfahren haben sich mit denen aus dem Nachbardorf verheiratet. Nur ein paar Wagemutige haben sich bis zu sechs Kilometer weit entfernt. Ich vermute, auch sie haben sich an der kleinen Brücke über die Jaussène geliebt.«
»Das scheint Tradition zu haben.«
Adamsberg zerriss das Tischtuch, nachdem Veyrenc seine Namensliste vollendet hatte, in der sich nicht die geringste Spur von einem Paole fand.
»Hör mir zu, Veyrenc. Der Mörder von Pierre Vaudel-Plog und Conrad Plögener gehört zur Ahnenreihe von Arnold Paole, der 1727 in Medwegya, nicht weit von hier, starb. Zerk stammt von keinem Paole ab. Folglich bleiben uns zwei Lösungen für deinen Neffen.«
»Hör auf, ihn ›meinen Neffen‹ zu nennen. Es ist auch dein Sohn.«
»Ich habe aber keine Lust, ›mein Sohn‹ zu sagen. Ich ziehe ›deinen Neffen‹ vor.«
»Ich habe verstanden.«
»Entweder hat dein Neffe, von einem Paole manipuliert, die Verbrechen begangen. Oder ein Paole hat sie begangen und das unschuldige kleine Taschentuch deines Neffen da hingelegt. In beiden Fällen müssen wir den Nachkommen von Arnold Paole suchen.«
Danica stellte zwei kleine Gläser auf den Tisch.
»Vorsicht«, sagte Adamsberg. »Das ist Rakija.«
»Und?«
»Probier. Ich wäre in der Gruft niemals gestorben, wenn ich Rakija gehabt hätte.«
»Froissy«, sagte Veyrenc mit leiser Wehmut und sah die drei kleinen Cognacfläschchen vor sich. »Und wie wollen wir einen Nachkommen von Paole finden?«
»Wir wissen eins von ihm. Es ist ein Paole, der großen Einfluss auf deinen Neffen hat und ihn gut genug kennt, um ihn imitieren zu können. Such jemanden in seinem Umfeld, einen Ersatzvater, den er oft sieht, den er bewundert, den er fürchtet.«
»Er ist neunundzwanzig, ich weiß nicht viel über sein Leben, seit er nach Paris gegangen ist.«
»Und seine Mutter?«
»Seine Mutter hat vor vier Jahren geheiratet, sie lebt in Polen.«
»Dir fällt niemand ein, auf den das zuträfe?«
»Nein. Und es erklärt auch nicht, falls er den Mord nicht begangen hat, dass er sich dir gegenüber damit brüstet.«
»Doch«, sagte Adamsberg, die Rollen umkehrend. »Verwandlung von Armel in Zerk, das ist ein Glücksfall für ihn. Aus dem Guten wird er der Böse, aus dem Schwachen der Mächtige. Falls ein Paole ihn manipuliert hat, dann zählte der darauf. ›Der Sohn zermalmt den Vater‹, so hat er zu mir gesagt. Armel wird von Mordent gewarnt, er gehorcht und flieht, dann aber sieht er die Zeitung. Einverstanden bis dahin?«
»Ja.«
»Sein Gesicht auf Seite eins, plötzlich ist er eine bedeutende Person, ein beeindruckendes Monster, und er steht Kommissar Adamsberg gegenüber. Zunächst ist er bestürzt. Aber dann erkennt er die Chance. Was für eine ungeahnte Macht fällt ihm da in die Hände! Was für eine großartige Gelegenheit, sich an seinem Vater zu rächen! Was riskiert er, wenn er die Rolle für einen Tag spielt? Nichts. Was gewinnt er? Sehr viel: Er kann diesen Vater niederschmettern, ihm sein Vergehen vor Augen führen, ihn Scham und Schuld empfinden lassen. Stellt er sich überhaupt die Frage nach dem Taschentuch? Nach dem Vorhandensein seiner DNA am Tatort? Bestimmt nicht. Schlicht ein Irrtum bei der Analyse, meint er, der bald korrigiert werden wird. Der Beweis, man hat ihn aufgefordert, zu fliehen und zu warten, bis die Luft wieder rein ist. Er hat nicht viel Zeit, es ist eine Chance, eine Fügung des Schicksals, er will sie nutzen. Beim Vater aufkreuzen, gekleidet, wie das Vorbild es verlangt. Reden wie ein Mörder, Zerk werden, diesen Mistkerl Adamsberg beschimpfen, ihn zerstören. Sieh, Adamsberg, sieh, dein Sohn ist ein Mörder, dein Sohn beherrscht dich und vernichtet dich, die Schuld daran hast du, leide, wie ich gelitten habe. Bedaure, schrei, es ist zu spät. Dann weggehen, die Farce ist gespielt, das Schuldbewusstsein und die Angst haben sich eingenistet in Adamsbergs Denken, der Vater ist gelähmt, die Rache war süß. Nein, dein Neffe ist so sanftmütig nicht.«
»Mit dir.«
»Ja. Er ist befriedigt, fühlt sich gereinigt. Doch kein Dementi, was diese DNA angeht, erscheint. Er gilt
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