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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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kyrillischen Schreibung. Aber darüber sprachen wir ja schon. Nach zwanzig Jahren wird sich dort niemand mehr an den Besuch des Fußabschneiders erinnern.«
    »Nicht das erwarte ich. Ich will dorthin, um den schwarzen Tunnel zu suchen, der zwischen Vaudel und diesem Dorf gegraben wurde. Wir müssen ihn finden, Danglard, wir müssen in ihn eindringen, der Geschichte auf den Grund gehen, sie mit der Wurzel ausreißen.«
    »Wann fahren Sie?«
    »In vier Stunden. Es war kein Direktflug mehr zu haben, ich fliege nach Venedig und nehme dort den Nachtzug nach Belgrad. Ich habe zwei Plätze reservieren lassen, die Botschaft sucht mir einen Dolmetscher.«
    Danglard schüttelte ablehnend den Kopf.
    »Sie sind viel zu exponiert. Ich reise mit Ihnen.«
    »Kommt nicht in Frage. Es ist nicht nur das Problem der Brigade. Wenn die mich fertigmachen wollen, und Sie sind bei mir, wirft man Sie mit mir in einen Topf. Und wenn sie mich einbuchten, sind Sie der Einzige, der mich da herausholen kann. Dazu werden Sie zehn Jahre brauchen, machen Sie sich darauf gefasst. Bis dahin aber halten Sie sich von mir fern, bleiben Sie draußen. So infiziere ich weder Sie noch sonst jemanden in der Brigade.«
    »Was den Übersetzer angeht, das könnte Slavkos Enkel übernehmen. Vladislav Moldovan. Er arbeitet als Dolmetscher für Forschungsinstitute. Ein ebenso glückliches Naturell wie sein Großvater. Wenn ich ihm sage, es ist für Slavko, wird er sich ein paar Tage freinehmen. Um wie viel Uhr geht der Zug von Venedig nach Belgrad?«
    »Um 21 Uhr 32. Ich muss noch mal nach Hause, ein paar Sachen und meine Uhren einpacken. Es fehlt mir was, wenn ich die Uhrzeit nicht sehe.«
    »Was macht das schon? Ihre Uhren gehen doch ohnehin nicht genau.«
    »Weil ich sie nach Lucio stelle. Er pinkelt ungefähr alle anderthalb Stunden an den Baum. Aber es gibt zwangsläufig Abweichungen.«
    »Sie brauchen doch nur das Gegenteil zu tun. Ihre Armbanduhren nach einer Wanduhr stellen, dann haben Sie die exakten Pinkelzeiten von Lucio.«
    Adamsberg sah ihn etwas überrascht an.
    »Ich will aber gar nicht wissen, zu welchen Zeiten Lucio pinkelt. Was sollte mir das bringen?«
    Danglard machte eine Geste, die so viel bedeutete wie »Lassen wir’s«, und reichte dem Kommissar eine weitere Akte, eine apfelgrüne.
    »Das ist Radstocks letzter Bericht. Im Zug haben Sie Zeit, das alles zu lesen. Hinzugefügt sind die Vernehmungen von Lord Clyde-Fox sowie ein paar vage Informationen über den kubanischen Freund, den sogenannten. Es liegen jetzt die Feinanalysen vor, die Schuhe sind alle französischer Herkunft, außer denen meines Onkels.«
    »Oder eines Cousins von Ihrem Onkel, eines Kisslovers, eines Kisilovaners.«
    »Eines Kiseljevaners.«
    »Wie sind die Schuhe über den Ärmelkanal gekommen?«
    »Auf einem illegalen Schiff, eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
    »Das ist ein ziemlich großer Aufwand.«
    »Er ist es wert. Highgate ist ein Kultort. Einige von diesen Schuhen, vier Paar wenigstens, sollen nicht älter als zwölf Jahre sein, aber bei den anderen hat Radstock Probleme mit der Datierung. Zwölf Jahre, das entspräche dem Handlungszeitraum des Zerquetschers, angenommen, er hätte mit seiner Sammlung im Alter von siebzehn Jahren begonnen. Was schon mal ziemlich jung ist, um sich Einlass in Bestattungsinstitute zu verschaffen und Füße abzusägen. Chronologisch passt es gut, es fällt in die Zeit der Gothic-Welle in der Kunst, von Heavy Metal, Grusel und Spitzen, Antichrist und Pailletten, Zombies in Abendgarderobe. So was kann die Sache befördert haben.«
    »Verzeihung, Danglard?«
    »Die Gothic-Welle«, wiederholte Danglard. »Noch nie davon gehört?«
    »Gotik im Sinne des Mittelalters?«
    »Gotik der Jahre 1990 bis heute. Sehen Sie die nicht vor sich? Junge Leute, die T-Shirts tragen mit Totenköpfen oder bluttriefenden Skeletten drauf.«
    »Doch, sicher«, sagte Adamsberg, Zerks Aufzug hatte sich an einem Sternzacken seines Gedächtnisses unauslöschlich festgehakt. »Und Stock hat ein Problem mit den anderen Schuhpaaren?«
    »Ja«, sagte Danglard und kratzte sich das Kinn, das auf der einen Seite sauber rasiert, auf der anderen noch sehr stoppelig war.
    »Warum rasieren Sie sich nur noch auf einer Seite?«, fragte Adamsberg, sich selbst unterbrechend.
    Danglard fuhr zusammen, dann trat er ans Fenster, um sich in der Scheibe zu betrachten.
    »Die Glühbirne im Bad ist durchgebrannt, in der linken Ecke sehe ich überhaupt nichts. Ich muss das

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