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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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eingoß, empfing sie Andrews selbstquälerische Gedanken: Hier sitze ich und lasse mir einen Drink schmecken, und Gott allein weiß, was Callista durchmacht .
    Andrew nahm das Glas in Empfang, das Ellemir ihm reichte, und trank. Er hatte Wein erwartet; statt dessen war es ein starkes, feuriges, hochprozentiges alkoholisches Getränk. Er nahm einen Schluck und sagte zögernd: »Ich möchte nicht betrunken werden.«
    Ellemir zuckte die Schultern. »Warum nicht? Vielleicht wäre es das Beste, was du tun kannst.«
    Mich betrinken? Während Callista …
    Ellemir sah ihn an. »Der Grund ist, daß es Damon hilft, wenn du dich ganz heraushältst und ihn tun läßt, was er tun muß. Er tut es äußerst ungern«, setzte sie hinzu, und die Anspannung in ihrer Stimme verriet Andrew, daß sie sich um Damon ebenso viel Sorgen machte wie er sich um Callista.
    »Nicht ganz so viel Sorgen.« Aber ihre Stimme zitterte. »Nicht ganz auf dieselbe Art. Wir können nicht helfen. Uns bleibt nichts übrig, als uns herauszuhalten. Und ich … bin es nicht gewöhnt, so ausgeschlossen zu werden.« Sie blinzelte heftig.
    So ähnlich war sie Callista und so unähnlich, dachte Andrew. Er hatte sich daran gewöhnt, sie für stärker als Callista zu halten. Und doch hatte Callista die Qualen in den Höhlen durchgestanden. Callista war keine zarte Jungfrau in Not, nicht halb so zart, wie er es sich einbildete. Keine Bewahrerin konnte schwach sein. Es war eine andere Art von Stärke. Sie hatte sich eben erst wieder gezeigt, als Callista die Droge ablehnte, die Damon ihr anbot.
    Ellemir nippte an dem feurigen Getränk. »Damon hat diese Arbeit immer gehaßt. Aber um Callistas willen wird er sie tun. Und«, setzte sie nach einem Augenblick hinzu, »um deinetwillen.«
    Andrew erwiderte mit leiser Stimme: »Damon ist mir ein guter Freund gewesen. Das weiß ich.«
    »Es scheint dir schwer zu fallen, das zu zeigen«, meinte Ellemir. »Ich nehme an, du bist in deiner Welt dazu erzogen worden, so auf andere Leute zu reagieren. Es muß sehr hart für dich sein. Ich glaube, ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie hart es hier für dich ist. Jeder Einzelne denkt in anderen Bahnen als du, jede Kleinigkeit ist fremdartig. Und ich vermute, an die kleinen Dinge gewöhnt man sich schwerer als an die großen. Bei den großen Dingen kann man den Entschluß fassen, sie zu akzeptieren. Die kleinen aber tauchen unerwartet auf, wenn man gar nicht daran denkt und nicht dagegen gewappnet ist.«
    Wieviel Verständnis hatte Ellemir, daß sie das erkannte, dachte Andrew. Es waren tatsächlich die kleinen Dinge. Damons – und Ellemirs! – sorglose Nacktheit, die ihn in Verlegenheit setzte und das Gefühl in ihm erzeugte, all die unbewußten Gewohnheiten seines ganzen Lebens seien verkrampft und irgendwie unhöflich – die seltsame Beschaffenheit des Brotes – die Küsse, die Damon Dom Esteban ganz selbstverständlich zur Begrüßung gab. Ihm war in der ersten Zeit, als er das Zimmer mit Callista teilte, aufgefallen, daß es ihr überhaupt nicht peinlich war, wenn er sie halb angezogen und einmal, durch Zufall, völlig nackt im Bad sah. Aber sie war errötet und hatte zu stottern begonnen, als er einmal hinter sie trat und ihr geöffnetes langes Haar von ihrem bloßen Nacken hob. Jetzt sagte er leise: »Ich gebe mir Mühe, mich an eure Sitten zu gewöhnen …«
    Ellemir füllte sein Glas nach. »Andrew, ich möchte mit dir reden.«
    Genauso hatte Callista damals angefangen, und das machte ihn wachsam. »Ich höre.«
    »Callista sagte dir in jener Nacht …« – natürlich wußte er sofort, welche Nacht sie meinte – »… was ich angeboten hatte. Warum wurdest du zornig darüber? Verabscheust du mich wirklich so sehr?«
    »Dich verabscheuen? Natürlich nicht«, sagte Andrew. »Aber –« Ihm versagten die Worte. »Es ist nicht recht von dir, mich so in Versuchung zu führen.«
    »War es recht von dir, wie du gegen uns alle gehandelt hast?« rief Ellemir aus. »Ist es recht von dir, daß du darauf bestehst, in diesem Zustand zu bleiben, wenn wir ihn alle teilen müssen, ob wir wollen oder nicht? Du bist – und das schon seit langer Zeit – in einem fürchterlichen Zustand sexueller Not. Glaubst du, das weiß ich nicht? Glaubst du, Callista weiß es nicht?«
    Für Andrew war das ein Eingriff in seine Intimsphäre. »Was geht dich das an?«
    Ellemir warf den Kopf zurück. »Du weißt ganz genau, warum es mich angeht. Und doch sagte Callista, du habest abgelehnt

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