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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Haare schneiden kann«, sagte er, und Damon lachte.
    »Du bist weder ein Mönch noch ein Gardist, deshalb willst du es doch bestimmt nicht kürzer haben, als es jetzt ist, nicht wahr?« Sein eigenes Haar war ordentlich auf Kragenlänge geschnitten. Andrew zuckte die Schultern. Sitten und Kleidung waren ganz und gar relativ. Ihm schien sein Haar furchtbar lang, zottig und ungepflegt zu sein, und doch war es kürzer als Damons. Er rasierte sich mit den neuen Messern und dachte darüber nach, warum auf einem frostigen Planeten wie Darkover nur die alten Männer sich mit Bärten vor der Kälte schützten. Aber man durfte eben in Bräuchen keine Logik suchen.
    Die Große Halle unten erinnerte ihn schmerzlich an die Festtage seiner Kindheit auf Terra. Die Wände waren mit grünen Zweigen bedeckt, und die Gewürzkuchen rochen beinahe so wie das Ingwerbrot einer terranischen Weihnacht. Die meisten Gäste waren Leute, die er bei seiner Hochzeit kennen gelernt hatte. Es wurde viel getanzt und mehr getrunken, als Andrew, der die Bergbewohner Darkovers für nüchterne Leute gehalten hatte, sich hätte träumen lassen. Er sagte etwas in dem Sinne zu Damon, und sein Schwager nickte. »Wir sind tatsächlich nüchterne Leute. Deshalb trinken wir auch nur bei besonderen Gelegenheiten, und diese Gelegenheiten kommen nicht oft. Laß uns also den heutigen Tag genießen. Trink aus, Bruder!« Damon folgte seinem eigenen Rat; er war bereits halb betrunken.
    Man vergnügte sich mit lärmenden Kußspielen, an die sich Andrew noch von seiner Hochzeit her erinnerte. Vor Jahren hatte er einmal gelesen, verstädterte Gesellschaften mit viel Freizeit entwickelten raffinierte Vergnügungen, für die es Menschen, die den ganzen Tag schwere körperliche Arbeit verrichten müssen, an Muße gebricht. Es zog ihm durch den Sinn, was er alles aus der amerikanischen Pionierzeit seiner eigenen Welt gehört hatte. Die Nachbarn kamen zusammen, um Steppdecken herzustellen oder Mais zu enthülsen, und dabei hatten die schwer arbeitenden Farmer ihren Spaß an Dingen, die später als Kinderspiele betrachtet wurden – Blindekuh und das Erhaschen eines an einem Bindfaden pendelnden Apfels mit den Zähnen –, und er sagte sich, das hätte er sich gleich denken können. Auch hier im Großen Haus gab es viel harte Arbeit und selten ein Fest wie heute. Wenn ihm die Spiele also kindisch vorkamen, so lag der Fehler bei ihm, nicht bei diesen tagein, tagaus sich abschuftenden Farmern und Ranchern. Die meisten Männer hatten schwielige Hände, die verrieten, daß sie zupacken mußten, sogar die Adligen. Seine eigenen Hände waren so hart geworden, wie sie es seit dem Tag, als er mit neunzehn die Pferderanch in Arizona verließ, nicht mehr gewesen waren. Auch die Frauen arbeiteten. Andrew dachte an die Tage, die Ellemir in der Küche verbrachte, und Callistas viele Stunden im Destillierraum und den Gewächshäusern. Beide machten fröhlich beim Tanzen mit und ebenso bei den einfachen Spielen. Eins davon war Blindekuh nicht unähnlich. Einem Mann und einer Frau wurden die Augen verbunden, und sie mußten sich innerhalb der Menschenmenge suchen.
    Andrew wunderte sich ein wenig, warum er als Tanzpartner so begehrt war. Den Grund erfuhr er, als ein Junge von noch nicht zwanzig Callista mit sich fortzog und über seine Schulter zu seiner früheren Partnerin, einem Mädchen, das nicht älter als vierzehn aussah, sagte: »Wenn ich zu Mittwinter mit einer jung verheirateten Frau tanze, werde ich heiraten, bevor das Jahr zu Ende ist!«
    Das Mädchen – ein Kind noch in einem kindlichen geblümten Kleid und langen Locken – kam zu Andrew und erklärte mit keckem Lächeln, hinter dem sich ihre Scheu verbarg: »Nun, dann tanze ich mit dem jung verheirateten Mann!« Andrew ließ sich von dem Kind auf die Tanzfläche ziehen, nur warnte er sie, er sei kein guter Tänzer. Später sah er das Mädchen in einer Ecke mit dem Jungen, der noch in diesem Jahr heiraten wollte, und sie küßte ihn mit einer Leidenschaft, die ganz und gar unkindlich war.
    Als die Nacht fortschritt, verzogen sich viele Paare in Ecken oder die dunklen Außenbezirke der Hallen. Dom Esteban betrank sich schwer und wurde schließlich in bewußtlosem Zustand zu Bett gebracht. Die Gäste verabschiedeten sich einer nach dem anderen oder sagten Gute Nacht und wurden in ihre Schlafräume geführt. Die meisten Dienstboten hatten an der Feier teilgenommen und waren so betrunken wie diejenigen unter den Gästen, die keinen

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