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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Familie haben sollte, dachte er, würde er diesen Brauch in Ehren halten. Sein Schwiegervater nahm den Gedanken wahr und lächelte Damon zu. Er brummte: »Ich dachte, ihr jungen Leute hieltet das für einen heidnischen Unfug, der am besten in Vergessenheit geriete. Jemand soll meinen Rollstuhl in den Hof tragen, und dann werden wir ein Feuer machen, wenn genug Sonne für den Zweck da ist. Damon, ich kann nicht gehen und den Wein für das Essen aussuchen. Hier ist der Schlüssel zu den Kellerräumen. Rhodri sagt, der Wein sei dies Jahr gut geworden, auch wenn ich beim Keltern nicht dabei war.«
    Andrew kehrte von seiner täglichen Pflicht zurück, die Reitpferde zu inspizieren, und Callista fing ihn ab. »Komm mit nach unten und hilf mir, die Kapelle herzurichten. Das darf kein Dienstbote tun, sondern nur jemand, der den Domänen durch Blut oder Heirat verbunden ist. Du bist noch nie dort gewesen.«
    So war es. Religion schien im täglichen Leben der Domänen keine große Rolle zu spielen, wenigstens nicht auf Armida. Callista hatte sich eine große Schürze umgebunden. Während sie die Treppe hinabstiegen, erklärte sie: »Dies war meine einzige Aufgabe als Kind; Dorian und ich richteten immer zu den Feiertagen die Kapelle her. Elli durfte nicht mithelfen, weil sie zu ungestüm war und Dinge zerbrach.«
    Andrew konnte sich Callista gut als kleines, ernstes Mädchen vorstellen, dem erlaubt wurde, wertvolle und zerbrechliche Gegenstände in die Hand zu nehmen. Sie betraten die Kapelle, und Callista sagte: »Seit ich in den Turm ging, bin ich nie wieder an den Feiertagen zu Hause gewesen. Und jetzt ist Dorian verheiratet und hat zwei kleine Töchter – ich habe sie noch nicht gesehen –, und Domenic kommandiert in Thendara die Garde, und mein jüngster Bruder ist in Nevarsin. Ich habe Valdir nicht mehr gesehen, seit ich ihn als Baby auf dem Arm hielt. Vermutlich werden wir uns erst wieder begegnen, wenn er erwachsen ist.« Sie blieb plötzlich stehen und erschauerte, als habe sie etwas Furchterregendes erblickt.
    »Ist Dorian dir und Elli sehr ähnlich?«
    »Nein, nicht sehr. Sie hat helles Haar wie viele von den Ridenows. Jeder sagt, sie sei die Schönheit der Familie gewesen.«
    »Leider muß ich daraus schließen, daß deine ganze Familie schlechte Augen hat«, lachte Andrew. Callista errötete und führte ihn in die Kapelle.
    In der Mitte stand ein vierseitiger Altar, eine Platte aus durchscheinendem weißem Stein. Sie sah sehr alt aus. An den Wänden der Kapelle hingen alte Gemälde. Callista wies darauf und erklärte leise: »Das sind die vier alten Götter, Aldones, der Herr des Lichts, Zandru, der Böses in der Dunkelheit wirkt, Evanda, die Herrin des Frühlings und des Wachstums, und Avarra, die dunkle Mutter der Geburt und des Todes.« Sie ergriff einen Besen und begann, den Raum auszufegen, der in der Tat sehr staubig war. Andrew hätte gern gewußt, ob sie selbst an diese Götter glaubte oder ob sie sich nur formell an die Rituale hielt. Hinter ihrer scheinbaren Verachtung der Religion mußte etwas ganz anderes stecken, als er geglaubt hatte.
    Zögernd gestand Callista: »Ich bin mir nicht sicher, was ich glaube. Ich bin eine Bewahrerin, eine Tenerésteis , eine Mechanikerin. Wir haben gelernt, daß die Ordnung des Universums nicht von irgendwelchen Gottheiten abhängt … und doch, wer kann wissen, ob nicht die Götter die Gesetze schufen, die das Universum beherrschen und denen zu gehorchen wir uns nicht weigern können.« Einen Augenblick stand sie still da. Dann machte sie sich daran, eine Ecke auszufegen. Sie rief Andrew zu, er möge ihr helfen, den Kehricht einzusammeln und die kleinen Schüsseln und Gefäße vom Altar abzuräumen. In einer Wandnische stand die sehr alte Statue einer verschleierten Frau, umgeben von grob aus blauem Stein gemeißelten Kinderköpfen. Mit leiser Stimme sagte Callista: »Vielleicht bin ich letzten Endes doch abergläubisch. Dies ist Cassilda, genannt die Gesegnete, die dem Lord Hastur, dem Sohn des Lichts, einen Sohn gebar. Es heißt, daß von dessen sieben Söhnen die sieben Domänen abstammen. Ich habe keine Ahnung, ob es eine wahre Geschichte oder nur eine Legende oder ein Märchen ist, vielleicht auch die verwischte Erinnerung an ein wirkliches Geschehen. Aber die Frauen unserer Familie bringen Opfergaben …« Sie verstummte. Im Staub des vernachlässigten Altars sah Andrew einen Blumenstrauß, der zum Verwelken liegen gelassen war.
    Ellemirs Opfergabe, als sie

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