Der verbotene Turm
sein Gesicht hoch und fragte: »Würden deine Leute das auch als verkehrt ansehen? Ich bin froh, daß ich keinen von ihnen kenne!«
Wiederholte Schocks dieser Art hatten Andrew beinahe immun dagegen gemacht. »Damon ist mein Freund, mein bester Freund. Unter meinen Leuten würde dies als Verrat, als Betrug betrachtet werden. Die Frau meines besten Freundes wäre die eine mir verbotene Frau.«
Ellemir schüttelte den Kopf. »Deine Leute mag ich überhaupt nicht. Glaubst du, ich würde mein Bett mit einem Mann teilen, den mein Mann nicht kennt und liebt? Würde ich ein Kind tragen wollen, dem mein Mann Vater sein wird, wenn es von einem Fremden oder einem Feind gezeugt wäre?« Nach kurzem Überlegen setzte sie hinzu: »Es ist wahr, ich wünschte mir, zuerst Damon ein Kind zu gebären. Aber du weißt, was geschehen ist und wieder geschehen kann. Wir sind zu nahe miteinander verwandt. Deshalb entscheiden wir uns vielleicht, überhaupt keine gemeinsamen Kinder zu haben. Er braucht keinen Erben aus Ridenow-Blut, und ein Kind, das du uns gibst, wird wahrscheinlich gesünder und kräftiger sein als eines, das er mir geben kann.«
»Ich verstehe.« Er wollte gern zugeben, daß das logisch klang, aber er schwieg, um seine eigenen Gefühle zu überprüfen. Sein eigenes Kind von der Frau, die er liebte. Aber nicht von seiner geliebten Frau. Ein Kind, das einen anderen Mann Vater nennen, auf das er keinen Anspruch haben würde. Und was würde Callista empfinden? Sah sie es als ein weiteres Zeichen dafür, daß sie ausgeschlossen war? Kam sie sich betrogen vor?
Ellemir sagte sanft: »Ich bin sicher, auch sie wird sich für mich freuen. Du glaubst doch nicht, daß ich dem Leid, das sie zu tragen hat, auch nur das Gewicht einer Feder hinzufügen möchte?«
Andrew fühlte sich immer noch unsicher. »Weiß sie es?«
»Nein, aber natürlich kann sie es vermuten.« Sie zögerte. »Ich vergesse immer wieder, daß du keiner von uns bist. Ich werde es ihr erzählen, wenn du es wünschst, obwohl einer unserer Männer es ihr lieber selbst sagen würde.«
Die komplizierte Höflichkeit in diesen Dingen ging über sein Begreifen hinaus, aber plötzlich wünschte er, das zu tun, was in seiner adoptierten Welt als richtig galt. Er erklärte fest: »Ich werde es ihr sagen.«
Aber er würde es dann tun, wenn er den richtigen Zeitpunkt für gekommen hielt, in einem Augenblick, wo sie an seiner Liebe nicht zweifeln konnte.
Ganz verwirrt ging er in sein eigenes Zimmer. Während er sich für das Abendessen fertig machte, lieferten seine Gedanken einen seltsamen Kontrapunkt zu seinen alltäglichen Verrichtungen. Er badete und schnitt sich den Bart, den er sich entgegen dem Brauch hatte wachsen lassen. Dann zog er saubere Hauskleidung an.
Sein eigenes Kind. Hier, auf einer fremden Welt, und nicht einmal das Kind seiner eigenen Frau. Aber Ellemir hielt es nicht für merkwürdig, und Damon wußte es offenbar schon seit einiger Zeit und billigte es. Eine fremdartige Welt, und er war Teil von ihr.
Bevor er fertig war, hörte er Reiter im Hof, und als er nach unten ging, fand er Damons Bruder Kieran vor. Er war von einem winterlichen Besuch in Thendara zurückgekehrt. Sein ältester Sohn, ein rothaariger Junge von etwa vierzehn mit hellen Augen, und ein halbes Dutzend Gardisten, Friedensmänner und Begleiter waren bei ihm. Andrew hatte Damons ältesten Bruder Lorenz nicht gemocht, aber Kieran fand er sympathisch, und er freute sich ebenso wie Dom Esteban über Neuigkeiten aus der Außenwelt.
»Erzählt mir, wie es Domenic geht«, verlangte der alte Mann. Kieran lächelte. »Wie es der Zufall will, habe ich ihn oft gesehen. Kester …« – er wies auf seinen Sohn – »… soll diesen Sommer ins Kadettenkorps eintreten. Deshalb habe ich Domenics Angebot abgelehnt, Danvans Posten als Kadettenmeister zu übernehmen; kein Mann kann Meister seines eigenen Sohns sein.« Er lächelte, um den Worten den Stachel zu nehmen. »Ich möchte gegen meinen Sohn nicht so hart sein, wie Ihr es gegen Euren sein mußtet, Lord Alton.«
»Geht es ihm gut? Ist er ein fähiger Kommandant der Garde?«
»Soweit ich es beurteilen kann, könntet Ihr selbst es kaum besser machen«, antwortete Kieran. »Er hat die Geduld, weiseren Köpfen zuzuhören. Oft fragt er Kyril Ardais um Rat und auch Danvan, und manchmal sogar Lorenz, obwohl ich nicht glaube …« – er grinste zu Damon hinüber – »… daß er von Lorenz viel mehr hält als wir. Jedenfalls ist er vorsichtig und
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