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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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bekommen. Weißt du nicht, daß die Hebammen sagen, eine Frau solle erst dann ein Kind gebären, wenn ihr Körper drei volle Jahre reif ist? Und bei mir ist es noch kein halbes Jahr! Ist das nicht komisch? Elli und ich sind Zwillinge, und sie ist zum zweiten Mal schwanger, während ich noch nicht alt genug für ein Baby bin!«
    Der Scherz ließ Andrew zusammenzucken. Wie konnte sie Witze darüber machen, daß ihr Körper auf künstliche Weise unreif gehalten worden war! Und doch, sagte er sich nüchtern, war es gerade ihre Fähigkeit, an allem etwas Komisches zu finden, die sie vor der Verzweiflung gerettet hatte.
    Sie erreichten das Tal mit der alten Steinbrücke, wo die Zwillingsfohlen geboren worden waren. Zusammen ritten sie die lange Steigung hinauf. Sie stiegen ab und banden ihre Pferde an einen Baum.
    » Kireseth ist eine Blume der Höhen«, sagte Callista. »Sie wächst nicht in den bestellten Tälern, und das ist wahrscheinlich gut so. Manche Leute reißen die Pflanzen sogar aus, wenn sie auf den niedrigeren Hängen auftauchen, weil die Pollen ihnen Ärger machen: Wenn sie in der Luft schweben, verhalten sich sogar Pferde und Kühe wie verrückt, gehen durch, greifen einander an, paaren sich außerhalb der Zeit. Aber das Kraut ist sehr wertvoll, denn wir stellen Kirian daraus her. Und sieh mal, wie schön es ist!« Callista wies auf den langen, grasbewachsenen Berghang, der mit einem Wasserfall blauer Blüten bedeckt war, deren goldene Staubgefäße leuchteten.
    Callista band ein dünnes Tuch wie eine Maske über die untere Gesichtshälfte. »Ich bin darin geschult, mit den Pflanzen umzugehen, ohne besonders darauf zu reagieren«, erklärte sie, »aber trotzdem möchte ich nicht zu viel davon einatmen.«
    Andrew sah ihr zu, als sie die Vorbereitungen zum Sammeln der Blüten traf. Callista warnte: »Geh nicht zu nahe heran, Andrew. Du bist den Pollen noch nie ausgesetzt gewesen. Jeder, der in den Kilghardbergen lebt, hat ein- oder zweimal einen Geisterwind erlebt und weiß, was er anrichtet. Da können sehr seltsame Dinge geschehen. Bleib hier unter den Bäumen bei den Pferden.«
    Andrew erhob Einwendungen, aber sie wiederholte ihre Forderung energisch. »Glaubst du, ich brauche Hilfe dabei, ein paar Blumen zu pflücken, Andrew? Ich habe dich mitgenommen, um bei dem langen Ritt Gesellschaft zu haben und außerdem die Ängste meines Vaters zu beschwichtigen. Er sieht überall in den Bergen Banditen, die mich der Juwelen berauben wollen, die ich nicht trage. Und wenn sie versuchten, mich zu vergewaltigen …« – sie lachte auf – »… dann könnte es ihnen schlechter ergehen als mir.«
    Andrew wandte das Gesicht ab. Er war froh, daß Callista es fertig brachte, zu lachen, aber dieser Witz eben war seiner Meinung nach von fragwürdigem Geschmack.
    »Ich werde nicht lange brauchen, bis ich genügend Blumen gesammelt habe. Sie sind schon weit aufgeblüht und reich an Ölen. Warte hier auf mich, mein Lieber.«
    Er tat, wie sie gesagt hatte. Callista verließ ihn und stieg in das Blumenfeld hinauf. Sie bückte sich und schnitt die Köpfe ab, die sie in einen mitgebrachten dicken Beutel stopfte. Andrew legte sich neben den Pferden ins Gras und sah ihr zu, wie sie sich leichtfüßig durch das Feld goldener und blauer Blüten bewegte. Ihr rotgoldenes Haar fiel ihr in einem Zopf über den Rücken. Die Sonne schien warm, wärmer, als er sich an irgendeinen Tag auf Darkover erinnern konnte. Bienen und andere Insekten summten und schwirrten leise, und in der Luft waren ein paar Vögel. Mit geschärften Sinnen roch er rings um sich die Pferde und einen süßen, fruchtigen, durchdringenden Duft, der, wie er annahm, von den Kireseth -Blüten kam. Er spürte, wie er ihm den Kopf füllte. Eingedenk Damons Warnung, nicht einmal die getrockneten Blüten anzufassen oder daran zu riechen, führte er die Pferde gewissenhaft ein Stück weiter fort. Es war ein ruhiger, windstiller Tag. Nicht das leiseste Lüftchen wehte. Andrew zog seine Reitjacke aus und legte sie sich unter den Kopf. Die Sonne machte ihn schläfrig. Wie anmutig Callista sich niederbeugte, hier eine Blüte und da eine Blüte abschnitt und in ihren Beutel tat! Andrew schloß die Augen, aber hinter den Lidern konnte er immer noch das Sonnenlicht sehen, das sich in leuchtende Farben und Prismen brach. Er mußte einen Hauch von den Pollen abbekommen haben; Damon hatte gesagt, es sei ein Halluzinogen. Aber er fühlte sich entspannt und zufrieden und ohne die geringste

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