Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
Winterschlaf, trotz des schönen Wetters. Er ließ sein Pferd satteln.
    Weg von allen anderen, dachte er, fand er vielleicht den richtigen Augenblick, Callista von Ellemir zu erzählen. Und dem Kind.
    Es war noch früh, als sie aufbrachen. Im Osten war der Himmel purpurn und mit dicken schwarzen Wolken gefleckt, deren Säume im Licht der dahinter stehenden Sonne karminrot leuchteten. Sie ritten über steile Pfade und blickten in die Täler hinab. Unter den Bäumen hatte sich der Schnee noch gehalten. Auf jedem Berghang weideten Pferde das frische Gras ab. Andrews Herz wurde leicht. Callista war ihm nie fröhlicher, nie schöner vorgekommen. Sie sang beim Reiten Stücke aus alten Balladen, und einmal hielt sie an und rief wie ein Kind am Eingang eines langen Tals mit ihrer süßen Stimme ein »Hallooo-ooo-ooo« hinein. Als die hohen Felsen ein hundertfaches Echo zurückwarfen, lachte sie. Die Sonne stieg höher, und es wurde wärmer. Callista löste ihren dunkelblauen Reitumhang und schlang ihn über das Sattelhorn.
    »Ich wußte gar nicht, daß du so gut reiten kannst«, bemerkte Andrew.
    »Oh, sogar in Arilinn bin ich viel geritten. Wir verbrachten so viel Zeit drinnen, in den Schirmen und Relais, daß wir steif und leblos wie die Bilder von Hastur und Cassilda in der Kapelle geworden wären, hätten wir uns nicht Bewegung verschafft. An freien Tagen nahmen wir unsere Falken und ritten in das Land um Arilinn hinaus. Es ist nicht hügelig wie hier, sondern eine flache Ebene. Wir jagten kleines Wild mit den Falken. Ich war stolz, daß ich mit einem Verrin umgehen konnte, einem Vogel, so groß …« – sie hielt ihre Hände auseinander – »… kein Falke für Damen, wie die meisten Frauen ihn hatten.« Wieder lachte sie klingend. »Armer Andrew, du kennst mich nur als Gefangene, als krank und ans Haus gefesselt. Da mußt du mich für eine zarte Jungfrau aus dem Märchen halten. Aber ich bin ein Landmädchen und sehr kräftig. Als Kind konnte ich ebenso gut reiten wie mein Bruder Coryn. Und ich glaube, meine Stute kann deinen Wallach bis zu dem Zaun dort schlagen!« Sie schnalzte dem Pferd zu und war fort wie der Wind. Andrew grub seine Fersen ein und raste ihr nach, das Herz im Hals – Callista war an das Reiten nicht mehr gewöhnt, sie mußte jeden Augenblick abgeworfen werden! Aber Frau und Pferd schienen zu einem einzigen Geschöpf zu verschmelzen. Als sie den Zaun erreichte, zog sie ihr Pferd nicht hoch, sondern nahm ihn fliegend mit einem erregten Aufjauchzen. Die graue Stute hob sich wie ein Vogel in die Luft und setzte auf der anderen Seite leicht auf. Andrew folgte ihr. Callista ließ ihr Pferd in Schritt fallen. Seite an Seite ritten sie jetzt langsam weiter.
    Vielleicht bedeutete es das, jemanden zu lieben, dachte Andrew. Jedes Mal, wenn er Callista sah, war es wie das erste Mal, immer war alles neu und aufregend. Aber dieser Gedanke weckte das Schuldgefühl auf, das nie weit entfernt war. Nach ein paar Minuten fiel ihr sein Schweigen auf. Sie wandte sich zu ihm und streckte ihm ihre kleine, behandschuhte Hand entgegen. »Was ist, mein Gatte?«
    »Ich muß dir etwas sagen, Callista«, erklärte er abrupt. »Wußtest du, daß Ellemir wieder schwanger ist?«
    Ihr Gesicht war ganz Lächeln. »Ich freue mich so für sie! Sie ist sehr tapfer gewesen, aber jetzt ist allem Kummer und Leid ein Ende gemacht.«
    »Du verstehst nicht«, fuhr Andrew entschlossen fort. »Sie sagt, es ist mein Kind …«
    »Ja, natürlich«, fiel Callista ein. »Sie erzählte mir, Damon habe nicht gewollt, daß sie so bald wieder einen neuen Versuch mache, weil er fürchtete, sie würde … das Kind verlieren. Ich bin sehr froh, Andrew.«
    Würde er sich je an die Sitten Darkovers gewöhnen? Für ihn war es ja ein Glück, aber trotzdem … »Macht es dir nichts aus, Callista?«
    Sie wollte sagen – Andrew konnte es fast hören : »Warum sollte es mir etwas ausmachen?« Aber dann schluckte sie es hinunter. Er war doch immer noch in mancher Beziehung ein Fremder. Endlich antwortete sie langsam: »Nein, Andrew, ehrlich, es macht mir nichts aus. Ich glaube, das verstehst du nicht richtig. Sieh es einmal so an.« Sie lächelte auf ihre heitere Art. »Es wird ein Kind im Haus sein, dein Kind, und obwohl ich Babys wirklich gern habe, möchte ich im Augenblick wirklich keins bekommen. Tatsächlich …« – sie lachte – »… es ist lächerlich, Andrew, weil Ellemir und ich Zwillinge sind, aber ich bin noch nicht alt genug, um ein Kind zu

Weitere Kostenlose Bücher