Der verbotene Turm
dir.«
Callista liefen die Augen über. Sie glitt von der Bank und kniete sich neben ihren Vater. Sie flüsterte »Danke«, und seine Hand ruhte für einen Augenblick auf ihren kupfrig glänzenden Zöpfen. Über ihren gebeugten Kopf sprach er: »Nun komm, Ann’dra, knie nieder und empfange meinen Segen.« Die harte Stimme klang freundlich.
Mit einem Gefühl der Verwirrung, das zur Hälfte Verlegenheit, zur Hälfte unauslöschbare Fremdheit war, kniete Andrew neben Callista. An der Oberfläche seines Geistes schwammen Zufallsgedanken, zum Beispiel, wie verdammt blöde das im Hauptquartier wirken würde, und »wenn du in Rom bist …«, aber tiefer unter der Oberfläche erwärmte sich etwas in ihm für die Geste. Er fühlte die breite, schwielige Hand des alten Mannes auf seinem Kopf, und sein neues telepathisches Bewußtsein, mit dem er seinen Frieden noch nicht ganz gemacht hatte, empfing eine merkwürdige Mischung von Emotionen: Böse Vorahnungen, überblendet von einer versuchsweisen, spontanen Sympathie. Er war überzeugt, das, was er wahrnahm, empfand der alte Mann für ihn, und zu seiner eigenen Überraschung war es dem, was er selbst für den Comyn -Lord empfand, nicht allzu unähnlich.
Er versuchte, mit ruhiger Stimme zu sprechen, obwohl er ganz sicher war, daß der alte Mann wiederum seine Gedanken lesen konnte: »Ich bin dankbar, Sir. Ich werde versuchen, Euch ein guter Sohn zu sein.«
Dom Esteban knurrte: »Du siehst selbst, daß ich zwei gute Söhne brauchen kann. Aber hast du die Absicht, mich für den Rest deines Lebens Sir zu nennen, Sohn?«
»Natürlich nicht, Verwandter.« Er benutzte jetzt die vertrauliche Form des Wortes, wie Damon es tat. Sie konnte »Onkel« oder sonst einen nahen Verwandten aus der Generation des Vaters bedeuten. Er erhob sich, und als er zurücktrat, fing er den seltsam starren Blick des Jungen Dezi auf, der schweigend hinter Esteban stand. Dieser Blick war voll zorniger Intensität – ja, und Andrew spürte Groll und Neid.
Armes Kind , dachte er. Ich komme als Fremder her, und man behandelt mich wie einen Familienangehörigen. Er gehört zur Familie – und der alte Mann behandelt ihn wie einen Diener oder einen Hund! Kein Wunder, daß das Kind eifersüchtig ist!
4
Es war entschieden worden, daß die Hochzeit in vier Tagen stattfinden sollte, eine stille Feier, der nur Leonie als Ehrengast und ein paar Nachbarn, die auf nahe gelegenen Gütern lebten, beiwohnen sollten. Die kurze Zwischenzeit gestattete es gerade noch, Domenic, Dom Estebans Erben, eine Nachricht nach Thendara zu schicken und einem oder mehreren von Damons Brüdern die Gelegenheit zu geben, von Serrais herzukommen, wenn sie es wünschten.
Am Abend vor der Hochzeit lagen die Zwillingsschwestern noch lange wach. Sie waren in dem Zimmer, das sie als Kinder geteilt hatten, bevor Callista nach Arilinn ging. Endlich sagte Ellemir ein wenig traurig: »Ich hatte mir immer vorgestellt, an meinem Hochzeitstag werde es ein großes Festessen geben und feine Kleider, und alle unsere Verwandten würden mit uns feiern. Statt dessen ist es eine hastige Sache mit ein paar Landleuten. Nun, wenn ich Damon zum Mann bekomme, kann ich auf all das andere verzichten, aber trotzdem …«
»Mir tut es auch leid, Elli, ich weiß, es ist meine Schuld«, antwortete Callista. »Du heiratest einen Comyn -Lord von der Ridenow-Domäne, und so gibt es keinen Grund, warum du nicht durch die Catenas verheiratet werden solltest, mit allen Feiern und Lustbarkeiten, die du dir wünschen kannst. Andrew und ich haben dir das verdorben.« Eine Comyn -Tochter konnte nicht ohne Erlaubnis des Comyn -Rates di Catenas , nach der alten Zeremonie, heiraten, und Callista wußte, es bestand nicht die geringste Aussicht, daß der Rat sie einem Fremden, einem Niemand – einem Terraner geben würde. Deshalb hatten sie die schlichtere Form gewählt, die als Freipartner-Hochzeit bekannt war. Dazu genügte eine einfache Erklärung vor Zeugen.
Ellemir hörte die Traurigkeit aus ihrer Schwester Stimme heraus und meinte: »Nun, wie Vater so gern sagt, die Welt wird gehen, wie sie will, und nicht, wie du oder ich es gern hätten. Damon hat versprochen, daß wir zum nächsten Ratstreffen nach Thendara reisen, und dort wird es genug Lustbarkeiten für jeden geben.«
»Und bis dahin«, setzte Callista hinzu, »hat meine Ehe mit Andrew schon so lange bestanden, daß niemand mehr etwas daran ändern kann.«
Ellemir lachte. »Und ich hätte Pech, wenn ich
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