Der vergessene Mond Band II - Das schwarze Buch (German Edition)
Luft trocken und ohne jede Feuchtigkeit. Das bedeutete, dass die Sehnen der Armbrüste einsetzbar waren, ein klarer Vorteil für die Verteidiger, die nördlich von ihm am Fuß der Mine ihre Stellung bezogen hatten. Valkallische Krieger waren keine großen Bogenschützen, sondern suchten den Nahkampf. Eine volle Salve Armbrustbolzen abzuschießen, bevor man seine Axt oder seinen Speer griff, war jedoch eine durchaus gängige Taktik. Nachdem er auch die zweite und dritte Speergruppe in Stellung gebracht hatte, wandte sich sein letzter Blick zu seinen Axtmännern. Die Sturmgruppe, die sich hinter den wilden Bären in Stellung brachte, war der Schlüssel zum Sieg. Schafften sie es, die Verteidigungsstellung zu durchbrechen, wäre das der Sieg.
Ein weiterer Blick zum Himmel und Kermo wusste, dass es unnütz wäre, auf Regen oder Nebel zu hoffen. Das Wetter würde sich in den nächsten Tagen nichtändern, strahlender Sonnenschein begleitete den kalten Wind, es war ein guter Sommertag in Valkall. Erinnerungen kamen in Kermo auf, als er zurückdachte an jenen seltsamen Sommer vor zwanzig Jahren, als er das zweigeteilte Amulett gefunden hatte. Seine Frau brachte am selben Tag Ise zur Welt und starb noch im Kindbett. Andere hätten es für ein schlechtes Omen gehalten, doch Kermo glaubte nicht an derlei Dinge. Das Amulett war etwas Reelles. Keine Legende, keine Prophezeiung. Es strahlte Macht aus und schien zu ihm zu sprechen, versprach ihm Schutz vor der Dunkelheit, die da kommen würde. Er hatte Ise und Jorn je eine Hälfte des Amuletts gegeben, in der Hoffnung dass es sie schützen würde, doch nun hatte sie ihn verraten, seine eigene Tochter. Fluchend kehrte Kermo mit seinen Gedanken zurück in die Gegenwart. Ise war ein Problem von morgen, möglicherweise hatte Jorn sie bereits gefunden. Jetzt und hier hatte er eine Schlacht zu gewinnen. Ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen, hob er seine gewaltige Axt und gab das Zeichen zum Angriff.
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Wütend starrte Lingard in den Spiegel, während Herm hinter ihm stand und nur mühsam sein Lachen unterdrücken konnte. Ein Wams aus feinster grüner Seide zierte seinen Oberkörper und fiel eng über seine Hüften, von denen schwarze Strumpfhosen bis zu den Samtpantoffeln liefen, die mit leuchtenden Rubinen bestickt waren. Ein schwarzes Haarband, passend zu den eng anliegenden Strumpfhosen stützte seine Frisur, die nach Art des meronischen Königshauses gesteckt war und ihn noch lächerlicher aussehen ließ.
„ Hätte ich nur meine Klappe gehalten. “ Zum wiederholten Male verfluchte Lingard seine Herkunft. Seit er denken konnte, hatte er versucht, dem Leben bei Hofe und seinen Auswüchsen, der Etikette und den Intrigen, zu entkommen. Als Vierter in der Erbfolge war ihm das schon früh gelungen und er hatte sich weitgehend der höfischen Verantwortung entziehen können. Vor drei Jahren dann hatte sich sein größter Wunsch erfüllt, als er den Waldwächtern beitreten konnte. Sein Vater hatte nichts dagegen gehabt, dass er eine militärische Laufbahn einschlug, doch hätte er ihn lieber bei der königlichen Garde oder den Luftreitern gesehen. Schließlich hatte sich Lingard durchsetzen können und nie zurück gesehen. Es war sein Schicksal, sein Land zu verteidigen, daran hatte er keinen Zweifel. Prinz von Meronis oder nicht, er würde so kämpfen, wie es die Waldwächter von Meronis seit jeher getan hatten, mit ruhiger Hand und starkem Arm.
Aber nun stand er hier, in der Hauptstadt von Keldur, so gekleidet, wie es seinen Vater erfreut hätte. Lingard hatte schon seit Jahren keine höfische Kleidung mehr getragen und die Tatsache, dass sein Anblick Herm offenbar stark amüsierte, verstärkte sein Unbehagen nur noch weiter. „Warum hast du uns nicht früher gesagt, dass du ein Prinz bist? Immerhin verstehe ich jetzt, warum wir in Paitai so freundlich behandelt worden sind.“ Der Gedanke an Paitai und den Angriff der Attentäter auf den Tempel der Sternensinger verdunkelte Lingards Gesichtszüge umgehend. Dort hatte alles begonnen, dort hatte er Herm und seine seltsamen Begleiter getroffen. Zuerst war es nur ein Gefühl gewesen, aber inzwischen war er sich sicher. Herm Pendrak, noch so jung und doch schon so mächtig, ritt auf der Welle des Schicksals und Lingard würde so dicht bei ihm bleiben, wie er nur konnte.
„Ich bin ein Waldwächter, das ist jetzt mein Leben. Meine Herkunft ist nicht von Belang.“ Lingard hatte die Worte wütender und lauter gesprochen, als er es
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