Der vergessene Mond Band II - Das schwarze Buch (German Edition)
letzten Jahren war er etwas langsamer geworden, das Alter zollte seinen Tribut, und doch würde es nicht viele Krieger geben, die sich mit ihm messen konnten. Wie sonst auch genoss er seine tägliche Stunde Kampftraining und beendete sie mit Vorfreude auf sein Nachtmahl. Heute würde er einen der roten Weine aus dem Süden von Meronis öffnen und den Schinken genießen, den er am Mittag auf dem großen Markt erstanden hatte. Doch gerade, als er seinen Oberkörper mit frischem Wasser aus seinem Bottich gewaschen hatte, passierte zum ersten Mal seit vielen Jahren etwas, dass seine Routine durchbrach.
„Magistrat. Magistrat Harmondir. Eine Lieferung für das Lagerhaus XXIII, bitte kommt schnell!“ Wie betäubt hielt Harmondir inne, während unzählige Gedanken durch seinen Kopf jagten. Er hatte es befürchtet, tief inseinem Inneren hatte er geahnt, dass etwas passieren würde. Der Duft der Veränderung lag in der Luft und jetzt hatte er zugeschlagen. Mit einem Ruck durchbrach Harmondir seine Starre und setzte sich in Bewegung. Innerhalb von Sekunden hatte er sein Oberteil wieder angezogen, das Schwert in einer unauffälligen grauen Scheide um seinen Rücken geschnallt und nach seinem Amulett getastet, dass sich wie immer an einem Lederband um seinen Hals befand.
Schließlich atmete er noch einmal tief durch und ging mit schnellen Schritten aus seinem Haus. Wenn ihn die Nachricht, dass eine Lieferung gekommen war, schon aus dem Konzept gebracht hatte, so verschlug ihm der Anblick, den er nun sah, umso mehr den Atem. Nicht weniger als fünfzehn mit Stahl beschlagene Transportwagen, die von je zwei Pak-Mahs gezogen wurden, standen in einer gleichmäßigen Doppelreihe vor dem Lagerhaus. Jeder der Wagen hatte neben dem Lenker noch zwei mit Speeren bewaffnete Männer auf dem Bock und einen kleinen Wehrsitz auf seinem Dach, der mit jeweils drei Armbrustschützen besetzt war. Alle Wachen trugen graue unauffällige Kleidung und tief ins Gesicht gezogene Lederhüte, die die Gefahr, die von den Wachen auszugehen schien, kaum verbergen konnten. Harmondir hatte nicht den geringsten Zweifel, dass der Wagenzug von seinen Auftraggebern kam. Während er noch überlegte, wer wohl der Anführer des Wagenzuges war, stieg einer der Lenker ab und ging mit festem Schritt auf ihn zu. Pers und seine Männer positionierten sich augenblicklich hinter ihm, doch er gab ihnen mit einem schnellen Handzeichen zu verstehen, dass sie ruhig bleiben sollten. Nachdem ihn der Fremde erreicht hatte, blieb er stumm vor ihm stehen und zog ein Amulett aus seinem grauen Wams. Wortlos zeigte nun auch der Magistrat sein Amulett, was vonseinem Gegenüber mit einem einfachen Kopfnicken quittiert wurde.
Die Amulette waren identisch, jedes von ihnen zeigte ein großes Auge mit einer einzelnen Träne, das Zeichen des Bundes der Wächter. Ohne ein einziges Wort zu sprechen gab der Fahrer seinen grauen Männern Handzeichen, die sie unmittelbar in Aktion versetzten. Harmondir verstand. Es war kein Zufall, dass sie erst bei Anbruch der Dunkelheit angekommen waren. Genau so wenig war es ein Zufall, dass kein Wort gesprochen wurde. Umgehend ging er zum großen Tor der Lagerhalle und öffnete es, dann wandte er sich an Pers. „Ihr geht zum Hintereingang und passt dort auf, dass wir keine ungebetenen Gäste haben. Kein lautes Rufen, keine Aufmerksamkeit erregen. Wir beenden das hier schnell und unauffällig, noch diese Nacht, dann gibt es einen Bonus.“
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Prustend und keuchend lag Herm am Strand des Sees, während er nach und nach das Wasser aus seinen Lungen hustete. „ Beim großen Kraken. Auf einem Mondstrahl rennen, wie konnte ich nur so dämlich sein? “ Wütend stützte er sich auf seine Ellbogen und blickte hinter sich, doch seit die Wolken die Monde verdeckt hatten, konnte man in der Dunkelheit nur noch wenige Meter weit sehen. „Kalinde? Bist du da?“ Ises aufgeregte Stimme wurde von Hustenanfällen unterbrochen, sie hatte vermutlich ähnlich wie er gerade erst die Küste erreicht. Dann durchbrach das plötzliche Aufleuchten einer kleinen Flamme die Dunkelheit und gab den Blick frei auf Kalinde, die am Ufer kniete. „Ich bin hier. Wo ist der Auserwählte?“
Für einen Moment stockte Herm beim Anblick der jungen Frau, deren Bild sich durch das kleine flackernde Licht im Wasser des Sees spiegelte. Sie hatte ihre Kleidung ausgezogen, vermutlich noch schwimmend im See, um nicht unterzugehen, und saß nun nackt auf ihren Knien, während sich ihre nassen
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