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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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gelernt, ihr Leben zu strukturieren, Aufgaben anzunehmen und zu erfüllen.
    Und vielleicht gab es ja die Menschen, die im Leben eine bestimmte Rolle erfüllten. Die ein Stück des Weges gemeinsam mitgingen, ehe man sich wieder allein aufmachte.
    «Bist du schon lange zurück?»
    «Seit gestern.»
    Sie setzten sich, aber Michael sprang sofort wieder auf. «Was trinken?» So kurz angebunden kannte sie ihn gar nicht, aber sie nickte. Er verschwand in der Küche.
    «Wohnst du bei deiner Mutter?», fragte er, als er zurückkehrte.
    «Diana ist zurück.»
    Er machte «Ah» und gab ihr das Wasserglas. Amelie trank durstig.
    «Ich glaub, diesmal hat es sie richtig erwischt. Ein neuseeländischer Schäfer. Wer weiß? Vielleicht wandert sie sogar aus.»
    Michael schwieg. Sie stellte ihr Wasserglas hin, faltete die Hände und beugte sich vor, die Ellbogen auf die Knie gestützt. «Ich habe viel über uns nachgedacht.»
    «Ja», antwortete er.
    «Es wird nicht gehen. Das mit uns …»
    Er machte es ihr nicht leichter. Sein Schweigen lähmte sie.
    «Ich dachte … Ich hab mir das wirklich nicht leicht gemacht, Michael. Ich dachte wirklich, es geht. Und es hat nichts mit Sabina zu tun oder ihrem Kind. Das könnte ich – nein, das verzeihe ich dir. Da gibt es nichts zu entschuldigen, weil du wohl auch gespürt hast, dass uns etwas auseinandertreibt. Deine Affäre mit ihr war vielleicht einfach nur das Bisschen, das uns zu dieser Erkenntnis gefehlt hat. Der Stein des Anstoßes, wenn du so willst.»
    «Aber …» Er atmete durch. Sie merkte, wie es in ihm arbeitete. «Was machst du denn jetzt? Ganz allein?»
    «Ich bin nicht allein.» Und zum ersten Mal, seit sie von ihrer Schwangerschaft wusste, legte sie schützend die Hand auf ihren Bauch.
    «Allein mit Kind. Noch schlimmer. Lass mich wenigstens für dich sorgen, Am.»
    «Das darfst du. Aber ich lass mich nicht davon beeinflussen. Ich entscheide selbst, wohin ich gehe und wie ich leben werde.»
    «Gehört zu deinem zukünftigen Leben zufällig auch ein walisischer Apotheker namens Dan?»
    «Das weiß ich noch nicht», sagte Amelie.
    Möglich war es. Wünschenswert. Aber das hatte sie nicht allein zu entscheiden.
    «Dann ist es also vorbei. Keine Hochzeit im September.»
    Michael wirkte sehr niedergeschlagen, aber kaum überrascht. Amelie wies ihn nicht darauf hin, dass er ja jetzt für Sabina frei wäre. Vielleicht wollte er Sabina ja gar nicht. Vielleicht hatte er sie wirklich nie so gewollt wie Amelie.
    «Uns wird weiterhin etwas verbinden. Und ich möchte dich nicht missen – als Ratgeber, als guten Freund. Es wäre schön, wenn das eines Tages wieder möglich wäre.»
    Er schüttelte erst den Kopf, nickte dann aber und blickte sie entschlossen an. «Irgendwann bestimmt», versicherte er ihr.
    «Ich hole meine Sachen, sobald ich den Umzug organisiert habe.»
    «Dann ziehst du nach Pembroke.»
    «Dort ist meine Heimat, ja.»
    Manche Menschen konnten sich gegen ihre Heimat nicht wehren. Amelie gehörte dazu.
     
    Zwei Tage später war sie wieder zurück in Wales, und sie spürte, wie ihr Herz ganz weich wurde, als sie die zerklüfteten Klippen und die grünen Weiden wiedersah. Das Meer, das sich dahinter bis zum Horizont erstreckte. Die winzigen Dörfer, die kleinen Cottages mit den bunten Fensterläden – und eine blaue Tür, hinter der ihr Großvater wohnte.
    Jon erwartete sie. Sie hatte angerufen und ihr Kommen angekündigt, und er hatte gekocht. «Viel kann ich nicht», meinte er, und trotzdem gab es den besten Eintopf, den Amelie seit langem gegessen hatte, mit Karotten, Bohnen, Kartoffeln und Lamm. Hier aß man oft und gerne Lamm.
    «So schmeckt Heimat», erklärte sie zufrieden.
    «Früher war’s dein Lieblingsessen.»
    Sie saßen nach dem Essen noch ein bisschen zusammen, und Amelie erzählte. Von ihrem Gespräch mit ihrer Mutter. Von ihren Plänen. Der Zukunft. Jetzt lag alles ganz klar vor ihr.
    Am frühen Abend spazierte sie über den Friedhof zur Apotheke. An Patricks Grab legte sie ein paar Wildblumen nieder, die sie an der Friedhofsmauer gepflückt hatte. Sie zupfte das Unkraut aus der Erde.
    «Ich weiß, ich hab dich ganz schön lange vernachlässigt», sagte sie leise. Es fühlte sich ungewohnt an, mit einem Grabstein zu sprechen. Aber immerhin hatte sie jetzt einen Ort für ihre Vergangenheit. Die Erinnerung mochte nicht zurückkehren, aber ihr blieben David und Jonathan – und Mama! Und die konnten ihre Erinnerungen beisteuern, damit Amelie daraus

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