Der vergessene Strand
er fürchtete, sie würde seiner bald überdrüssig werden. Schließlich wurde er viel früher alt als sie.
Und dann war da noch seine Familie. Über die sprachen sie nicht, aber die Kinder, Betty und James, ließen sich ebenso wenig aus der Welt reden wie seine Frau Dorothy. Auf seine Art liebte er auch Dorothy. Sie war ein herzensguter Mensch, sie hatte ihm die Kinder geschenkt und ihr ganzes Leben. Doch genügte das? Hier stand nun die junge, hübsche Susanne und wollte ihm einen Neuanfang schenken.
Er schlug ihr Geschenk aus. Seine Argumente klangen hohl in ihren Ohren. Die Familie, die er bereits habe, binde ihn. Er sei ein pflichtbewusster, verantwortungsvoller Mann, behauptete er. Susanne spuckte ihm voller Abscheu ins Gesicht. Schöne Verantwortung sei das, wenn er sich drücke! Sie wolle ihn nie wiedersehen. Wenn er sie nicht wolle, gäbe es andere!
Darum nahm sie Davids Heiratsantrag an. Weil Reginald sie nicht wollte, weil sie es aber ebenso wenig ertragen hätte, heimzugehen und ihrem Vater gestehen zu müssen, dass es da ein Kind gab und dass sie den, den ihre Eltern für den Vater hielten, nicht heiraten wollte.
Vom ersten Tag an bestrafte sie Reginald. Sie blieb. Und heiratete David, der sein Glück kaum fassen konnte. Sie bekam ihr erstes Kind. Reginald und sie begegneten sich zwangsläufig, und das Feuer, das in ihnen brannte, loderte immer wieder auf. Sie hasste ihn, aber zugleich wollte sie wieder mit ihm zusammen sein.
Das Strandhaus taugte nicht mehr als Liebesnest, denn David und Susanne waren dort eingezogen, und die Vorstellung, im Ehebett beider Ehe zu brechen, ertrug Reginald nicht. Ein Hotel im Ort kam ebenso wenig in Frage, man kannte die beiden. Blieb in den Sommermonaten nur, sich unter freiem Himmel zu lieben. Stets in dem Wissen, dass es wieder passieren konnte, stets mit dem vergeblichen Versuch, einander zu zügeln. Selten von Erfolg gekrönt.
Sie liebten sich, und das war stärker als alles andere.
Zugleich aber redete Reginald ihr ins Gewissen. Er ahnte schon damals, dass es nicht von Dauer sein konnte. «Es ist wichtig, sich Mühe zu geben. Immer», sagte er, wenn sie sich beklagte, weil sie unter Davids langer Abwesenheit litt. «Wenn ihr euch beide Mühe gebt, wird’s irgendwann leichter. Dann habt ihr das gefunden, was für euch beide genau richtig ist.»
«Und bis dahin?», fragte sie.
«Musst du dich anstrengen. Danach auch, aber es wird leichter. Versprochen.»
Er hatte Ähnliches durchgemacht, mit Dorothy. Es war keine Liebesheirat gewesen, und trotzdem waren beide recht zufrieden mit ihrem gemeinsamen Leben.
Für Susanne war das eine schreckliche Vorstellung.
Jahrelang ging alles gut. Reginald warnte immer. Er wollte, dass sie vorsichtiger waren. Susanne wollte davon nichts hören. Jeder in Pembroke wusste, dass sie oft allein war, und kaum jemand fand es merkwürdig, wenn sie sich von ihrem Onkel helfen ließ.
Das Verhältnis flog auf, weil Susanne nicht mehr wollte. Weil David sich einen schwachen Moment gegönnt hatte, fühlte sie sich nicht mehr an ihr Schweigen gebunden. Sie war verletzt, ja! Sie war ihm all die Jahre nie treu gewesen, aber sie hatte ihm die beiden Kinder geschenkt, die rechtmäßig Reginald gehörten. War das nichts? Genügte ihm das nicht?
Als sie es ihm sagte, wusste sie, dass das grausam war. Sie nahm ihm Patrick und Amy, das Liebste in seinem Leben. Aber was sollte sie tun, wenn David die Kinder für sich beanspruchte? Sollte sie nachgeben? Oder den Kampf bis aufs Blut führen, damit David endlich begriff, dass es all die Jahre gar nicht um ihn gegangen war?
Reginald hatte recht behalten: Inzwischen waren David und sie zu einem Arrangement übergegangen, das beiden ermöglichte, in ihrer Ehe glücklich zu sein, jedem auf seine Art.
Ein Pakt, so könnte man das vielleicht nennen. Nur dass David diesen Pakt gebrochen hatte. Und dafür hasste sie ihn. Sie wollte ihm ebenso wehtun, wie er ihr wehgetan hatte.
Drei Monate nach der Trennung fuhr sie mit Reginald zu ihm. Sie nahmen Patrick mit, Amy blieb bei Davids Eltern. Sie wollten die Sache vernünftig zum Abschluss bringen, wie zwei Erwachsene. Eine Besuchsregelung für die Kinder finden, die Normalität wiederherstellen.
Wenigstens das gelang ihnen. Doch danach war Susanne völlig ausgelaugt, und nicht mal Reginalds Trost half ihr. «Lass mich einfach in Ruhe», fauchte sie ihn an, als sie schon auf dem Rückweg waren.
«Das hätte ich all die Jahre gern getan», erwiderte
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