Der vergessene Strand
rotblonden Haaren, dem Sonnenbrand und den leichten Segelohren. Er war recht still, und als sich seine Hand in der Nacht zu ihr herüberstahl – während nebenan die ach so brave Vera nicht ganz so brave Laute von sich gab –, hielten sie eine Weile einfach nur Händchen. Dann entwickelte sich mehr, und irgendwann schälte er sich aus seinem Schlafsack und schlüpfte zu ihr.
Das erste Mal war erhebend und schmerzhaft. Es fühlte sich gar nicht so schlimm an, war zugleich aber eine Ernüchterung. Und Liebe war schon gar nicht im Spiel. Für Susanne ging es nur darum, dass sie es endlich hinter sich hatte und mitreden konnte.
Drei Tage blieben sie noch am Strand, dann zog es die Jungs weiter. Vera war danach krank vor Liebeskummer, während Susanne eher erleichtert war. Sie reisten ohne Ziel und Verstand weiter, und an jeder Weggabelung stritten sie, wohin es als Nächstes gehen sollte. Schon bald wurde deutlich, dass es Vera nach Wales zog. Susanne wollte nicht. Vera bestand drauf. Sonst, drohte sie, könnten sie gleich wieder heim. Also beugte Susanne sich, und sie fuhren auf schnellstem Weg nach Wales. Denn nach Hause wollte sie nicht. Die neugewonnene Freiheit wollte sie unbedingt auskosten.
So kam es zwei Wochen nach dem ersten Treffen zu einem Wiedersehen in Pembroke. Beschaulich fand Vera es dort. Susanne fand es langweilig, bis sie am dritten Tag Davids Onkel Reginald kennenlernte.
Das war mal ein Mann! Ein Baum von einem Mann, knorrig und brummig, herzensgut und arglos. Susanne sah ihn – und wollte ihn haben. Sie war wieder das kleine Mädchen ihres Vaters, das so lange quengelte, bis es bekam, was es wollte.
Reginald wurde von dem deutschen Mädchen vollkommen überrascht. Während sie mit David brav Händchen hielt, schlich sie nachts zum Strandhaus und traf Reginald. Er war nie aus Pembroke herausgekommen, nie hätte er gedacht, es könnte da draußen etwas geben, das er so sehr begehrte wie diese junge Frau, die einfach nicht lockerließ.
Reginald verliebte sich nicht leicht, aber es war passiert, und kaum war es passiert, merkte Susanne, dass sie schwanger war. Längst nicht mehr bedrängte sie Vera, endlich weiterzureisen. Der Sommer neigte sich dem Ende entgegen, sie schrieb Postkarten aus Pembroke, jede Woche zwei an ihre Eltern. Hier könnte sie eines Tages glücklich werden, schrieb sie, und die Eltern freuten sich. Dabei meinte Susanne den verheirateten Familienvater Reginald. Ihre Eltern glaubten, der junge David habe ihr so gehörig den Kopf verdreht.
Eigentlich hatten sie das anders geplant. Eigentlich wollte Susanne David nur von dem Kind erzählen, um sogleich im Nachsatz hinterherzuschieben, dass es nicht von ihm sei, denn es hatte ja nur die eine Gelegenheit dazu gegeben, damals in Frankreich. Seither waren sie geradezu keusch, wie Bruder und Schwester. Nachts schlich sie sich fort aus dem Haus mit der blauen Tür, und tagsüber genügte es David, ihre Hand zu halten. Ihr war das bald unerträglich, aber sie hatte bisher auch nicht den Mut gefunden, die Sache mit ihm zu beenden, weil sie dann vermutlich bald hätte abreisen müssen.
Es kam ganz anders.
Davids erste Reaktion war ein ungläubiges Lächeln. Und ehe sie noch hinterherschieben konnte, wie leid ihr das tue, denn schließlich sei das Kind nicht seins, sank er vor ihr auf die Knie. «Dann heiraten wir!», rief er, und er klang so überzeugt, dass sie einen Moment verwirrt war. Sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, doch David war schon einen Schritt weiter. «Was anderes bleibt uns gar nicht übrig, oder? Du ziehst zu mir nach Pembroke. Ja? Versprichst du mir das?»
Sie schüttelte den Kopf. «Nein!», rief sie, riss sich von David los und stürmte ins Haus. Er blieb mit seiner Verwirrung zurück, redete sich aber ein, die neue Situation verwirre Susanne.
Sie lief zu Reginald. Damals besaß er eine kleine Firma im Ort, die allerlei Handwerksleistungen anbot. Er war viel unterwegs, weshalb sie sich manchmal auch tagsüber trafen. Diesmal aber suchte sie ihn auf einer Baustelle auf, und so wäre ihr Verhältnis fast aufgeflogen an jenem Tag.
«Ich bekomm dein Kind!», rief sie, kaum dass er sie in eines der Schlafzimmer im Obergeschoss des Rohbaus gezogen hatte. «Bitte, lass uns weglaufen!»
Reginald bekam den schlimmsten und größten Schreck seines Lebens. Ein Kind mit diesem … Kind! Mehr war sie doch nicht, gerade erst mit der Schule fertig, ungelernt und unerfahren. Sie wusste nichts vom Leben, und
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