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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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«Mr. Bowden!», rief sie. «Entschuldigen Sie, Mr. Bowden, aber ich habe Ihnen nichts getan! Könnten Sie nicht wenigstens sagen, ob Sie die Briefe besitzen? Sie können sie mir auch leihen, ich gehe damit sehr sorgsam um. Mr. Bowden?»
    Die Tür blieb verschlossen. Amelie stellte sich vor, wie er dahinterstand und den Atem anhielt, bis sie ging. Wie er wartete.
    Was hatte sie ihm bloß getan, dass er ihr mit so viel Abneigung begegnete?
    Sie schlenderte langsam zurück Richtung Innenstadt. Ihre Knie zitterten, und langsam setzte der Schock ein. Was fiel ihm ein, ihr zu drohen?
    Amelie blieb stehen. Ihre Knie waren so weich, dass sie keinen Schritt mehr tun konnte. Sie sackte auf die Bordsteinkante. Ein Auto brauste an ihr vorbei und hupte. Amelie schluchzte auf. Das war alles zu viel für sie. Wie hatte sie nur glauben können, es würde weiterhelfen, wenn sie vor ihrem Leben weglief?
    «Hey, passen Sie doch auf!»
    War das wieder so ein feindseliger Einheimischer? So langsam reichte es ihr. Sie hob den Kopf. Jemand beugte sich über sie und ergriff ihren Arm. «Alles in Ordnung?», fragte die dunkle, warme Stimme, die zu dem Fremden gehörte.
    Nein, nichts ist in Ordnung, dachte sie trotzig, aber sie nickte nur.
    «Warten Sie, ich helfe Ihnen auf.»
    Sie wollte protestieren, weil ihre Knie immer noch zitterten wie Wackelpudding, aber er zog sie hoch und stellte sie neben sich auf den Gehweg. Sie blickte zu ihm auf, und ehe sie etwas sagen konnte, trat er einen halben Schritt zurück. «Sieht nicht besonders gut aus, wenn die Leute Sie hier so sehen», sagte er nicht unfreundlich.
    Er war etwa Mitte dreißig, schätzte sie. In ihrem Alter. Groß, leicht gebräunt, mit Lachfältchen um die Augen, die von einem interessanten Dunkelgrün waren. Wuschelige, sandfarbene Haare, die etwas zu lang waren und sich im Nacken leicht lockten. Ein Dreitagebart. Und ein Lächeln, das sie fast wieder in den Rinnstein plumpsen ließ.
    «Wieso?», fragte sie dümmlich.
    Er lachte. «Sie könnten denken, ich verstehe nichts von meiner Arbeit.» Er zeigte auf das Geschäft hinter seinem Rücken.
    Eine Apotheke.
    «Leute auf dem Bordstein sind schlecht fürs Geschäft. Vielleicht möchten Sie mit reinkommen, bis es Ihnen bessergeht?»
    Amelie wollte abwehren, aber als sie den Kopf schüttelte, wurde ihr wieder schwindelig. Sie schwankte, und der Apotheker ergriff erneut ihren Arm.
    «Keine Widerworte», murmelte er und führte sie in die Apotheke.
    Ihr wären auf die Schnelle auch keine vernünftigen eingefallen.
     
     
    Später würde sie nie den Tag vergessen, an dem sich ihr Schicksal wendete. Sie hatte immer gedacht, das müsse an dem Tag passiert sein, als ihr der Duke of G- begegnete. Aber wie sich im Nachhinein herausstellte, sollte jener Tag nur ihr Schicksal besiegeln.
    Anne Lambton war siebzehn, als ihre Freundin Teresa heiratete. Dass sie überhaupt heiratete, war für alle, die sie kannten, ein kleines Wunder und für die Familie eine Sensation. Denn Teresa hatte seit ihrer Geburt einen Klumpfuß, den sie nachzog – ein Makel, den sie erst als junge Frau unter langen Kleidern kaschieren konnte. Aber ihr Hinken war kaum merklich, und sie hatte ein bezauberndes Wesen und ein herzförmiges, zartes Gesicht.
    Da Teresa oft mit Anne auf die Bälle und Soireen ging, zu denen sie eingeladen wurde, weil sie inzwischen zur Familie des Earl of Hartford gehörte, hatte sie es geschafft, die Aufmerksamkeit eines jungen, wohlhabenden Baronets zu wecken, der sich Hals über Kopf in Teresa verliebte. Annes Mutter grollte.
    «Dieser Benedict wäre dein Fang gewesen!», fauchte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit, und sie brachte Teresa, die, wie sie fand, diesen Aufstieg allein ihnen verdankte, zukünftig nur noch kühle Reserviertheit entgegen. Es war leicht, großzügig zu sein, solange es nichts kostete. Aber sie glaubte nun, Teresa habe ihrer jüngeren Tochter den Mann weggeschnappt, und so blieb davon nicht mehr viel übrig.
    Anne ließ sich davon nicht beirren. Dass ihre Mutter ihr den Umgang mit Teresa verbot, ignorierte sie.
    Die Lambton-Schwestern waren in der Gesellschaft dafür berüchtigt, dass sie sich keine Vorschriften machen ließen. Das galt für Beatrix, die um sieben Jahre Ältere, sogar noch mehr als für Anne.
    Nach ihrer Hochzeit vor sechs Jahren hatte sie schon bald begonnen, die berüchtigten Salons zu besuchen. Sie diskutierte mit Männern und ließ sich den Schneid nicht abkaufen. Manche fanden, der Earl

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