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Der vergessene Strand

Der vergessene Strand

Titel: Der vergessene Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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festgestellt, dass seine Fragen ihr sogar noch mehr halfen als die von Michael. Denn Cedric hatte überhaupt keine Vorbildung; er wusste nur, dass es dieses Buch von Beatrix Lambton gab und dass es damals bei seinem Erscheinen einen Skandal ausgelöst hatte. Alles, was damit einherging, ihr Leben, die damalige Zeit, war ihm fremd, und sie hatte gemerkt, wie sie ihr Buch in einem völlig anderen Ton erzählte, seit sie jeden Mittag mit ihm zusammensaß und versuchte, ihm die Faszination für diese Frau zu vermitteln.
    Vielleicht war es das, was sie beim Schreiben nicht vergessen durfte. Sie saß nicht mehr im Elfenbeinturm der Geisteswissenschaft. Ihr Buch sollte unterhalten. Und damit das klappte, musste sie ihre Herangehensweise ändern. Mehr für Cedric schreiben und weniger für Michael.
    Mr. Biggs wohnte am anderen Ende der Common Street in einem kleinen Häuschen. Im Anbau befand sich eine Werkstatt, in der er, wie ein Schild verhieß, Holzspielzeug und Kleinkram herstellte und verkaufte. Das Haus war still und dunkel, und auch im Laden brannte kein Licht. «Bin morgen wieder da», stand auf einem Schild in der Glastür.
    Die Adresse von Jonathan Bowden fand sie erst nach längerem Suchen, weil die Häuser in der Straße nicht durchgängig nummeriert waren. Doch als sie einen Passanten fragte und der auf ein Haus zeigte, hatte Amelie das Gefühl, irgendwas ziehe ihr den Boden unter den Füßen weg.
    Das Haus mit der blauen Tür.
    Sie bedankte sich bei dem Mann, der sie merkwürdig musterte. Sie nahm allen Mut zusammen und fragte ihn, warum er sie so anschaute.
    «Tu ich doch gar nicht!», wehrte er ab.
    «Sie haben mich angesehen, als würden Sie mich kennen.»
    Er wandte sich halb ab und murmelte etwas. Die ganze Sache schien ihm schrecklich peinlich zu sein, und Amelie kam sich plötzlich ziemlich gemein vor. Sie entschuldigte sich und eilte mit gesenktem Kopf auf das Haus mit der blauen Tür zu.
    War das Zufall? Einer der Männer, der angeblich in seiner Privatbibliothek noch Briefe von Anne und Beatrix Lambton aufbewahrte, wohnte in einem Haus, das ihr so seltsam vertraut vorkam? Oder steckte mehr dahinter?
    Ich sehe schon Gespenster, schalt sie sich. Das ist einfach nur ein dummer Zufall, mehr nicht.
    Sie betätigte diesmal sofort den Türklopfer, denn sie wusste ja, dass die Klingel nicht funktionierte. Im Haus blieb es still, und sie versuchte es ein zweites Mal. Ein drittes Mal. Es konnte doch nicht sein, dass sie heute gar nichts erreichte!
    Endlich rührte sich etwas im Haus. Eine Tür wurde geöffnet, durch das helle Rechteck trat ein großer Mann, den Amelie durch die Glasscheibe in der Tür im Gegenlicht nur schwer erkennen konnte. Er ging leicht gebeugt, und es schien fast, als sei das Haus für ihn zu klein.
    Er öffnete, und Amelie trat einen Schritt zurück. Groß, finster, alt und feindselig.
    Vor allem feindselig.
    «Was ist los?», blaffte er. Sein Blick glitt über ihr Gesicht. Wie schon vorhin bei dem Passanten hatte sie dieses merkwürdige Gefühl …
    «Entschuldigen Sie, Mr. Bowden. Ich bin Amelie Franck und arbeite gerade an einem Buch. Äh, einem Buch über Beatrix Lambton als Frau ihrer Zeit zu Beginn des 20 . Jahrhunderts, und bei meinen Recherchen stieß ich auf Hinweise, also, dass Sie noch Briefe von ihr haben. Und darum …»
    Sie verstummte. Mit jedem Wort, das sie sagte, verfinsterte sich Mr. Bowdens Miene mehr.
    Er beugte sich vor. «Verschwinden Sie.»
    Seine Stimme klang so hasserfüllt, dass Amelie zurückfuhr.
    «Ich habe Ihnen nichts zu sagen.»
    «Aber es geht mir doch nur um …»
    Jetzt machte er einen Schritt auf sie zu. «Ich kenne Sie nicht, und ich will Sie auch nicht kennenlernen. Sie haben hier nichts zu suchen. Hauen Sie schon ab! Sie sind widerlich. Tauchen einfach hier auf und glauben, damit ließe sich alles lösen …»
    «Ich verstehe nicht …», stotterte Amelie. Sie wollte doch nur die Briefe.
    Er lachte auf. «Nein, natürlich nicht. Verschwinden Sie. Lassen Sie mich in Ruhe. Wenn Sie das nächste Mal hier auftauchen, jage ich Sie mit der Schrotflinte vom Hof.»
    Irgendwie hatte sie das Gefühl, er meinte das wirklich ernst. Amelie schluckte. Ihr blieb die Erwiderung buchstäblich im Hals stecken.
    Er trat zurück, schaute sie noch einmal an, als wollte er sich ihr Gesicht einprägen, und knallte ihr dann die Tür vor der Nase zu.
    Amelie blieb vor der blauen Tür stehen.
    Sie hob die Hand und ließ den Klopfer gegen das Holz dröhnen.

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