Der vergessene Strand
of Hartford sei verrückt, weil er sie nicht zurechtwies. Die meisten hielten ihn aber einfach nur für dumm, dass er geglaubt hatte, Beatrix Lambton zähmen zu können. Sie hatte nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie sich nach der Heirat Freiheiten herausnehmen würde, die einer verheirateten Frau schlicht nicht zustanden. Henry zuckte nur mit den Schultern. Ihn schien das nicht zu stören. Natürlich nahm er sich ebenfalls Freiheiten, und zwar deutlich mehr als seine Frau. Sobald Beatrix wieder wegen der anderen Umstände, die er ihr regelmäßig aufzwang, ans Haus gefesselt war, zeigte er sich stattdessen mit seinen Mätressen in der Öffentlichkeit. Sie machten sich die Ehe gegenseitig schwerer als unbedingt nötig, fand Anne. Aber erstaunlicherweise machte Bee auf sie keinen besonders unglücklichen Eindruck.
Und nun heiratete Teresa noch während der ersten Saison. Anne wollte es ihrer besten Freundin nicht neiden, zumal sie wusste, wie sehr Benedict und sie einander mochten. Trotzdem kam sie nicht umhin, den zarten Stachel Eifersucht zu verspüren. Sie hatte Verehrer, ja. Zwei oder drei, die mit großem Interesse um sie warben. Doch keiner von ihnen war auch nur annähernd das, was sie sich wünschte. Sie waren entweder dumm, vertrottelt oder zu arm, weshalb kein Gedanke an sie verschwendet werden durfte.
Bees Ehe mit Trisk hatte Anne also neue Wege eröffnet – und zugleich andere versperrt. Denn was früher noch gut genug gewesen wäre in den Augen ihrer Eltern, war jetzt völlig indiskutabel.
Der große Tag für Teresa wurde mit viel Pomp gefeiert – mit einer Pracht, die weder ihr Wunsch war noch so recht zu diesem jungen Paar passen wollte. Auch da war eine ehrgeizige Mutter die treibende Kraft.
Sie feierten nicht in der Stadt, sondern draußen in Vauxham Manor, auf dem Stammsitz von Benedicts Familie. Anne hatte als beste Freundin und Ehrenjungfer der Braut ein Zimmer im Gästeflügel ergattern können. Sie hatte die halbe Nacht wachgelegen vor Aufregung, und als sie im Morgengrauen aufstand und noch im Morgenrock zu Teresas Zimmer schlich, glaubte sie, ihre Freundin schliefe noch.
Sie irrte. Teresa saß am Toilettentisch und kämmte ihre honigblonden Haare.
Im Spiegel lächelten sie einander zu. «Ich dachte, du schläfst noch», sagte Anne leise.
«Ich habe nicht geschlafen.»
«Nervös?» Anne trat näher, nahm Teresa die Bürste aus der Hand und kämmte ihre Locken mit langsamen Bewegungen aus. Teresa lächelte. Ihre Hand spielte mit der versilberten Puderdose auf dem Toilettentisch. «Nicht mehr als gestern», behauptete sie.
«Lügnerin.» Auch Anne lächelte.
Teresa war immer die Verzagtere gewesen. Die Schwächere, beinahe Ängstliche. Trotzdem hatte sie fast die Rolle der älteren Schwester eingenommen, nachdem Bee geheiratet hatte und fortgegangen war. Früher war sie es gewesen, die den Sohn des Stallmeisters draußen in Lambton Manor in den Misthaufen geschubst hatte, als der Anne mit einer warzigen Kröte hatte erschrecken wollen. Und sie hatte ihn mit der Mistgabel bedroht, bis er versprach, ihre beste Freundin nie wieder so sehr zu erschrecken.
William Darren war nicht der Letzte gewesen, gegen den Teresa sie verteidigt hatte. Anne zog als die Jüngere und Schönere eine zweifelhafte Aufmerksamkeit auf sich. Viele Männer glaubten, sich bei ihr Freiheiten herausnehmen zu dürfen, obwohl es Anne ein Rätsel war, wie sie darauf kamen. Sie war brav und forderte keinen von ihnen durch ihr Verhalten auf, zumindest glaubte sie, dass es so war. Was nichts an der Tatsache änderte: Die Männer sprangen auf sie an, und sie behandelten Anne wie Freiwild, nicht wie eine junge, ehrbare Frau, die sie heiraten wollten. Sondern wie die hübsche, jüngere Tochter eines völlig verarmten Peers, die vom Leben ohnehin nicht mehr erwarten durfte als die Stellung als Mätresse eines Viscount – und das auch nur, solange sie sich brav in diese Rolle fügte und mit dreißig still und leise Platz für die Nächste machte. Daran hatte auch Bees Heirat nichts zu ändern vermocht. Nur dass es jetzt Dukes und Earls waren, die sich nach ihr umdrehten und überlegten, wie sie Anne zu ihrer Mätresse machen konnten.
«Ab morgen passt keiner mehr auf mich auf», sagte Anne leise. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel.
«Du brauchst niemanden, der auf dich aufpasst. Das kannst du inzwischen sehr gut allein», entgegnete Teresa.
«Findest du.» Anne hatte da so ihre Zweifel.
«Sieh dich an. Du bist
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