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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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den Wiesen beiderseits der Straße. Nicht lange, und sie hörten das ununterbrochene Möh–mäh , mit dem die Schafe sie begrüßten. Circendil riet davon ab, das Dorf eigens zu warnen. Hier würdeman ihnen noch weniger glauben als in Mellows Heimatbrada. Sobald die ersten Flüchtlinge aus Rudenforst Lammspring passierten, würde sich die Nachricht ohnehin wie ein Lauffeuer verbreiten.
    Diesmal war die Straße nicht ganz und gar verlassen.
    Eine ältere Vahitfrau schöpfte Wasser am Brunnen. Sie grüßten sie im Vorbeireiten. Finn zügelte Smod kurz bei ihr und erkundigte sich höflich nach dem Wohlergehen der Familie Drossler, doch er erhielt keine Antwort. Die Frau gaffte besonders Circendil mit offen stehendem Mund und aufgerissenen Augen an wie eine Erscheinung. Finn zuckte mit den Schultern, deutete im Sattel eine Verbeugung an, wünschte der Frau einen guten Tag und folgte den vorausreitenden Gefährten.
    Alle Häuser blieben indes stumm, und das Blöken der Schafe verklang, kaum dass sie den letzten Schober passiert hatten.
    Nachdem die Dächer des winzigen Dorfes in ihrem Rücken hinter den Bäumen versunken waren, kamen sie nach und nach auf das nunmehr vor ihnen Liegende zu sprechen.
    »Ich bin nicht sicher«, sagte der Medhir nach einer Weile. »Ich meine, ob ich deinen Vater in allem richtig verstanden habe, Mellow. Er sprach heute Morgen von den Scepmáhin als euren Anführern. Zumindest dem, was diesen am nächsten kommt. Ist das so? Haben die Schöffen das Sagen in eurem Volk? Und werden wir solche Vahits mit Macht in Mechellinde treffen?«
    Finn lachte verblüfft auf. »Meinst du das im Ernst   – Vahits mit Macht?«
    Er zeigte auf sich und Mellow. »Schau uns einfach an, und dann frage dich, ob Vahit und Macht zusammenpassen. Und wenn ja, dann möchte ich mal wissen, wie. Aber wenn du damit Vahits mit Einfluss meinst, dann hat Rorig dir richtig berichtet. Es gibt ihrer sieben an der Zahl, wie er bestimmt erwähnt hat; alle sieben Jahre wählen wir sie. Leider werden wir nur einen davon in Mechellinde vorfinden, denn sie führen ihre Amtsgeschäfte von Vahindema aus   – und das liegt über hundertzwanzig Meilen entfernt im Westen. In Mechellinde selbst gibt es nur den Witamáhir, den Anweiser der Bücherey.«
    »Nur«, kicherte Mellow. »Nur? Das lass ihn bloß ja nie hören. Sonst bekommst du noch im Nachhinein eine Strafarbeit aufgebrummt.«
    »Eine Strafarbeit?«, fragte Circendil.
    »Na ja, Rattenfallen entleeren, zum Beispiel, um gleich das Ekligste zu nennen.«
    »Mellow übertreibt maßlos«, winkte Finn ab. »Herr Ludowig Gurler ist ganz in Ordnung. Im Ernst: Er ist nicht ohne Grund einer der Sieben und ein höchst verständiger Vahit, mit dem man reden kann.«
    Mellow stöhnte auf. »Es sei denn, man ist Schüler in seiner Klasse und hat die Hausaufgaben vergessen.«
    »Oder man hat im Unterricht geschlafen«, meinte Finn. »Was mitunter vorgekommen sein soll, wie ich unlängst hörte.«
    Man sah ihm deutlich an, dass Circendil kein Wort des Vahitgeplappers begriff.
    »Außerdem«, fuhr Finn fort, »ist er der Meister der Buoggagilde und damit Hüter über alle Bücher   – also vertritt er wohl das, was du ›Altes Wissen‹ nanntest, vorausgesetzt, du meintest damit alte Schriften oder Aufzeichnungen. Wenn ich mich recht entsinne, bist du deswegen eigentlich ins Hüggelland gekommen.«
    Circendil warf einen langen Blick über die Schulter und prüfte den Horizont, ehe er antwortete.
    »Ja, das ist wahr«, sagte er nur.
    Und er fügte, als er Finns Augen unverwandt auf sich gerichtet sah, nach einer Weile hinzu: »Es geht mir sogar um sehr altes Wissen. Uralt ist ziemlich neu dagegen.«
    »Aha«, entsprang es Mellow und Finn wie aus einem Mund. Jetzt waren sie es, die kein Wort begriffen.
    »Von welcher Art denn?« Finn beugte sich vor und kraulte Smod hinter den Ohren. Er erntete ein freudiges Schnauben.
    »Sag es ihm nicht, Circendil, ich bitte dich«, flehte Mellow ingespielter Verzweiflung. »Er ist nämlich hinter Büchern her wie die Ratte hinter’m Käse. Wenn du nicht aufpasst, redet er stundenlang von nichts anderem mehr; und wie immer wird es damit enden, dass er droht, gar selbst eines zu schreiben.«
    Er presste beide Hände an die Ohren, als wolle er verhindern, dass Finns Worte oder schlimmer, Ratten hineingelangten.
    »Bücher sind ein großer Schatz, Mellow«, warf Finn ein. »Vielleicht der größte überhaupt.«
    »Ist ja schon gut.«
    Circendil musste lachen,

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