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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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antwortete aber mit tiefem Ernst. »Ich stimme Finn völlig zu. Wissen ist Macht. Und Macht kann Übles ebenso verhüten wie vollbringen. Leider haben das die Menschen schon vor langer Zeit vergessen. Vieles, was mein Volk einst kannte, würde uns heute nützlich sein, wenn es unter uns nur genügend gäbe, die Bücher um ihrer selbst willen schätzten und sie hegten und pflegten. Doch das meiste von dem, was einst aufgezeichnet wurde, ist in den Wirren der Dreiteiligkeit verbrannt, vernichtet und so für immer verloren. Jener Krieg, in dem einst Dir gegen Dir focht, hat mehr getötet als Leiber oder Hoffnungen. Er hat   … Wir haben unsere eigene Zukunft geschändet, als wir rasten vor Wut und keinen Unterschied mehr machten zwischen Überläufern und Überliefertem. Wenn erst Bücher brennen, so sterben daran ganze Reiche. Es war dieser Aderlass des Wissens, glaube ich, an dem Benutcane letztlich unterging.«
    Der Vindländer hob vielsagend die Schultern und ließ sie ergeben wieder fallen.
    »Selbstverständlich gibt es auch heute wieder Bücher. Wir Dirin haben das Schreiben schließlich nicht verlernt. Aber was heute verzeichnet wird, ist eben Wissen unserer Zeit. Diese Schriften sind kaum älter als hundert Jahre und damit jung im Vergleich zu denen, die ich suche. Einzig die Vahatin waren besonnen genug, von diesem besonderen Schatz zu retten, was sie retten konnten, heißt es. Und es heißt weiter, sie nahmen von diesen geretteten Werken etliche mit sich, als sie nach Westen zogen und aus dem Sichtkreisder Menschen entschwanden. Und selbst nicht einmal das wissen wir mit Bestimmtheit, denn für uns ist dies nur noch eine lang zurückliegende Erinnerung, eine hübsche Geschichte, die man sich an langen Winterabenden erzählt. Viele halten es für ein Märchen, und manche immerhin noch für eine Sage. Tatsächlich gibt es am Königshof von Caras Dúnciurath ein Kinderbuch, das Vahatin in Höhlen vollgestopft mit Büchern zeigt.«
    »In Höhlen, soso«, machte Mellow.
    »In einem Kinderbuch«, echote Finn. Er war erheitert und fassungslos zugleich.
    »Nun, es erzählt uns immerhin die Geschichte vom Weggang eures Volkes. Wenn daran nur die Hälfte stimmt, und wenn jene von den Vahatin geretteten Bücher die Reise überstanden haben, so sind diese Schriften zweifellos hier gelandet   – hier bei euch im Hüggelland! Versteht mich recht: Allein auf dieses dünne Gerücht hin bin ich aufgebrochen. Darauf gründet sich meine ganze Hoffnung. Sie ist der wahre Grund meiner langen Reise. Nennt es meinetwegen Narretei. Aber was bleibt mir übrig? Nur hier im Hüggelland kann ich noch hoffen, Bücher aus den Jahren vor der Dreiteiligkeit zu finden. Und ich bin nicht einmal sicher, ob darunter überhaupt noch jene wenigen erhalten geblieben sind, die mir die Wahrheit enthüllen können, nach der ich seit Jahren vergeblich suche.«
    Er nickte, als setzte er ein Selbstgespräch fort, bei dem er Rede und Gegenrede längst kannte. »Oder ob ich am Ende vergeblich hoffte.«
    Sein Blick verdüsterte sich, als würde eine graue Wolke über sein Antlitz ziehen. Er schien alle Aufmerksamkeit nach innen zu richten, denn er seufzte und fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
    »Entschuldige   – vielleicht ist mir etwas entgangen«, sagte Finn nachdenklich. »Der Kern des Ganzen ist mir nicht klar. Was ist denn daran gar so wichtig? Welche Wahrheit suchst du denn zu finden?«
    »Ach«, sagte Circendil. »Wie soll ich es euch mit wenigen Worten erklären? Wo soll ich beginnen?«
    »Ich würd’s aufs Geratewohl mal mit dem Anfang versuchen«, meinte Mellow leichthin.
    »Mit dem Anfang? Ja, Herr Naseweis, ein guter Vorschlag. Nur: Dann verrate mir mal, wo bitte sehr der Anfang   – der wahre Anfang, meine ich   – einer Geschichte liegt!«
    »Der   – ähm   – was?« Mellow kratzte sich dort, wo es ihn immer juckte, wenn er seinen Hut zu lange aufhatte, ohne zu bemerken, dass er den schon seit Tagen nicht mehr trug. Finn sah ihn mit einem Ausdruck an, der frag-mich-erst-gar-nicht bedeutete.
    Circendil nickte, und noch immer wirkte er, als spräche er mehr zu sich selbst als zu den beiden Vahits. »Wo nahm die Geschichte von Mellow Rohrsang ihren Anfang? Bei deiner Geburt? Oder an dem Tag, an dem sich deine Eltern kennenlernten? Oder an dem Tag, an dem dein Vater oder deine Mutter geboren wurde? Oder an dem Tag, da sich deine Großeltern mütter- oder väterlicherseits ineinander verliebten? Oder als dein Urgroßvater

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